Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Minus-Mann

Der Minus-Mann

Titel: Der Minus-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Sobota
Vom Netzwerk:
jemand.
    »Kriminalpolizei«, sage ich. Die Türe wird geöffnet, die Vorlegekette nicht. Durch den Spalt sehe ich einen Mann, etwa Dreißig, dünnhaarig, mittelgroß, im Schlafrock.
    »Was wünschen Sie?« fragt er mißtrauisch.
    »Sie waren angeblich Zeuge eines Verkehrsunfalls vor vier Wochen, Man hat Ihre Nummer notiert. Darüber brauche ich einige Auskünfte«, sage ich und mache ein distanziert nettes Gesicht. Vier Wochen, kein Mensch, der in der Stadt ein Auto fährt, weiß, ob er nicht vor vier Wochen vielleicht wirklich Zeuge eines Unfalls war. Er weiß es auf keinen Fall sofort, dieser auch nicht. Er öffnet die Türe.
    »Wenn Sie weiterkommen wollen«, sagt er verwirrt. Dann schließt er die Türe. »Hier bitte«, sagt er und öffnet die Türe zum Wohnzimmer. Ich komme sofort zur Sache und ziehe den Revolver.
    »Wenn du schreist oder dich bewegst, bist du tot, klar?« sage ich. Er steht mit weitgeöffneten Augen vor mir. »Und jetzt bewegst du dich ganz vorsichtig und langsam auf deine Brieftasche zu und gibst mir die tausend Schilling für meine Schwester, los.«
    Er schaut auf die Waffe. Die Mündung zeigt auf seinen Magen. Er geht zu dem Schreibtisch am Fenster. Ich folge ihm Schritt für Schritt. Die Entfernung bleibt dieselbe. Drei Schritt.
    »Laß die Lade zu«, sage ich und »geh zur Seite.« Ich gehe zum Schreibtisch, öffne die mittlere Lade. Einige Geldscheine liegen lose auf einem Packen Papier. Ich nehme eine Tausendernote. Die anderen Scheine bleiben liegen. Ich sehe seine Augen wandern. Dann lege ich den Revolver auf den Tisch. Mit einem Schritt bin ich bei ihm. Er reißt seine Arme zu spät hoch. Etwas kracht in seinem Kiefer. Er fällt zu Boden. Ich trete in sein Gesicht, gegen die Nieren. Er stöhnt, krümmt sich gegen die Wand. Ich ziehe ihn hoch. Seine Lippen sind zerfetzt, das Kinn hängt schlaff. Ich hebe mein Knie. Er gurgelt auf, zweimal schlage ich noch in sein Gesicht. Er fällt schwer zu Boden. Ich nehme den Revolver vom Schreibtisch. Er liegt, das Gesicht nach unten, auf dem Teppich. Mit dem Fuß rolle ich ihn zur Seite. Er scheint bewußtlos. In der Küche wasche ich mir das Blut von den Händen. Vor der Türe horche ich. Kein Geräusch am Gang. Ich verlasse das Haus, niemand hat mich gesehen. Etwa hundert Meter entfernt wartet das Mädchen in einer Toreinfahrt. Es regnet. Wenige Augenblicke später steigen wir in einen Bus.
    »Um vier gehst du zum Friseur. Ich bin ab acht Uhr im ›Nessy‹«, sage ich.
    »Und jetzt?« fragt sie.
    »Gehe ich schlafen, und den gestrigen Abend hast du vergessen. Es hat ihn nie gegeben. Der Strich beginnt für dich heute, also zu niemandem ein Wort, klar?« sage ich und winke einem Taxi.
     
    »Du hast die Pistole mitgenommen«, sagt meine Frau.
    »Du weißt das?«
    »Ich sehe immer nach, wenn du weggehst«, sagt sie.
    »Ich habe sie jemandem gezeigt. Er möchte sie kaufen«, sage ich, dann lege ich mich nieder.
    Mittags essen wir zusammen. Nach langer Zeit. Man sieht die Schwangerschaft schon sehr stark.
    »Es bewegt sich, willst du es spüren, komm«, sagt sie.
    »Nein, ich will nicht«, sage ich. Ich gehöre da nicht dazu. Ich bin der Erzeuger. Ja, das ist aber auch alles. Vater, ich … ein bitteres Lachen ist ganz hoch an der Kehle … ich wate in der Scheiße … in meinem ureigenen Gehirnkot … später … vielleicht … wenn noch etwas übrigbleibt …«
    »Willst du nicht mit ›uns‹ Spazierengehen?« fragt sie leise. »Ich sehe dich nur mehr zum Schlafen und Umziehen.«
    Wir gehen Hand in Hand durch die Praterwege. Reden über die Leiche, unsere Ehe. Ich werde nicht zurück kommen. Aus dem Schlamm kehrt man nicht zurück, dort versinkt man, früher oder später. Aber was, große Worte, fühle ich mich nicht wohl, so wie ich lebe, keine Probleme, keine Gedanken, wozu denken? Rotwein und Whisky, ich brauche nicht zu denken, es lebt sich von selbst. Manchmal ruhige Stunden allein auf dem Berg in die Sonne gedacht, nicht zu genau, die Flasche ist dabei, ohne Mutter, wenn sie mit erdigen Händen aus dem Garten kommt, aufstrahlt, weil ich eine Stunde bei ihr sitze.
    Cha-cha, mein kühles, zärtliches Mädchen, zwei Welten, ich will so leben, und wer will mich daran hindern. »Ich«, sagt da wer, »ich selbst«, aber ich höre nicht hin.
    Abends in der Stadt. Cha-cha im schwarzen Mini. Sie küßt mich. »Ich liebe dich«, sagt sie. Geht dann. Georg ist da und Helmut. Wir würfeln. Ich bin müde. Die Zeit vergeht.
    Das Mädchen kommt. »Ich

Weitere Kostenlose Bücher