Der Moderne Knigge
einer Königin der Nacht, einer Jungfrau von Orleans, einen Rautendelein oder einer Themis, da ihr der Maskenverleiher nichts näheres über diese Vermummung gesagt hat.
Eine Pappnase wird am bequemsten in der Tasche getragen. Trägt man sie im Gesicht, so hat man sich die Folgen selbst zuzuschreiben.
Wer auf einer Maskerade mit aller Gewalt nach etwas trachtet, das sein wahres Wesen verbirgt, der bestelle einen Cognac. Es ist ganz gewiß etwas anderes.
Entsteht wegen einer Dame die bekannte Differenz, die gewöhnlich durch Thätlichkeiten geschlichtet wird, so sage man, es sei spät, man habe am anderen Morgen frühzeitig zu arbeiten, und verabschiede sich rasch von dem Gedränge, von dem man umgeben ist. Dies ist allerdings in den meisten Fällen nicht mehr möglich, aber es kann auch gelingen, weil auf solchen Maskeraden alles vorkommen kann.
Wenn man die Gewohnheit hat, in Gesellschaft zu soupieren, so nehme man zur Maskerade weder Uhr, noch Ring mit und lasse auch größere Kassenscheine, an die sich angenehme Erinnerungen knüpfen, zu Hause. Dies macht an dem Tisch, an welchem man speist, nicht beliebt, verhindert aber wahrscheinlich Meldungen bei der Polizei, welche keinen Erfolg haben können.
Mit Damen, welche abfärben, tanze man nur Quadrillen. Auch sage man ihnen nicht, wo man wohnt, weil sie gewöhnlich die Adresse nicht vergessen.
Wird man durch das Vertrauen einer Dame ausgezeichnet und erfährt man von ihr, sie sei die unglückliche Frau eines eifersüchtigen Gatten, oder die verzweifelnde Tochter eines strengen Vaters, so gewinnt man jede Wette, daß alles nicht wahr ist.
Man gehe auf eine Maskerade nicht ohne die Visitenkarte, auf der die genaue Adresse angegeben ist. Denn man könnte doch eine Dame nach Hause begleiten und auf dem Wege dahin bewußtlos aufgefunden werden. In solchem Fall ist es gut, daß man nach der Wohnung transportiert wird, wo man unter den Augen des Arztes längere Zeit arbeitsunfähig sein kann.
Dergleichen hat man nicht zu befürchten, wenn man Privatmaskeraden besucht, zu denen man in ein gastliches Haus eingeladen, oder wenn man ein Kostümfest mitmacht, welches von einem Verein arrangiert worden ist und zu dem man auf dem Wege der Protektion ein Billet kaufen konnte.
Eine Privatmaskerade hat das Bequeme, daß man in dem Augenblick des Eintritts, namentlich wenn man bis zur Vollständigkeit vermummt ist, sofort erkannt und mit vollem Namen und Berufsangabe angerufen wird.
Man vermeide es vor allem, durch eine Maske sich in einen vollkommenen Gegensatz zu seiner Individualität zu setzen. Einige wenige Fingerzeige mögen zur Verhinderung der schlimmsten Mißgriffe beitragen:
Für eine Dame, welche keinen Augenblick den Mund halten kann, eignet es sich wenig, als Stumme von Portici zu erscheinen, denn dieses unglückliche Mädchen hat sich nur durch die Augen- und Fingersprache verständlich gemacht.
Spricht man keine andere fremde Sprache, als nur die durch die Nase, so komme man weder als Faust, noch als Mephistopheles, weder als Don Juan, noch als Zampa, so kleidsam deren Kostüme sein mögen. Die Genannten sprachen und sprechen, wie ihnen der Schnabel, nicht aber, wie ihnen die Nase gewachsen ist. Kann man also den angedeuteten Umweg beim Sprechen nicht bis zur Maskerade loswerden, so bleibe man lieber zu Hause, wo es ja auch ganz amüsant sein kann.
Ist man sehr korpulent, so eignet sich die Falstaffmaske besser als die weibliche eines Offiziers der Heilsarmee. Auch zu der beliebten Storchmaske gehören z. B. schlanke Beine. Hat man nun Elephantenbeine, so sieht der genannte Vogel wie ein Bastard aus und man reizt die Gesellschaft zu den schlechtesten Bemerkungen. Die Stange Lack, die man in den Mund steckt, um den Storchschnabel anzudeuten, kann nichts retten, abgesehen davon, daß sie im Laufe des Abends lästig wird.
Hat eine Dame, was ja möglich ist, keine Waden, so komme sie nicht als Radlerin mit Pumphosen. Sie begnüge sich damit, wenn sie dies Vademecum nicht besitzen sollte, öffentlich zu radeln.
Hat man keine Idee vom sächsischen Dialekt, so erscheine man nicht als Striese aus dem »Raub der Sabinerinnen«. Auch wenn man nicht komisch ist, wähle man diese Maske nicht. Da man seltener komisch als langweilig ist, so entscheide man sich überhaupt nicht für eine Maske, die einigen Witz erfordert.
Macht eine Frau sich den Spaß, auf dem Maskenball ihr Kostüm zu wechseln, so läuft sie Gefahr, daß ihr von dem ahnungslosen Gatten der Hof
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