Der Moderne Knigge
welches das Abenteuer verschuldet hat, es nicht wieder zu thun, was aber nichts mehr ändert und, wenn versprochen, nicht gehalten wird.
Es geht jedenfalls aus dem Gesagten hervor, daß jeder Teilnehmer einer in eine Wasserfahrt ausartenden Landpartie sich vorher zu unterrichten hat, welche Mittel anzuwenden sind, um Verunglückten und Bewußtlosen oder Scheintoten beizustehen.
In den Lokalzeitungen, in welchen der betreffende Vorfall mitgeteilt wird, liest man dann die Worte: »Wie schon oft« oder: »Trotz aller warnenden Beispiele« und ähnliche. Auch solche Bemerkungen bleiben völlig unbeachtet oder in den Wind gedruckt.
Ist man ein kaltblütiges Mitglied solcher Wasserpartie, so nimmt man sich vor, einen solchen angesäuselten oder übermütigen Knoten in dem Augenblick, wo er sich zu seinem lebensgefährlichen Unfug erhebt, im Interesse der Gesellschaft niederzuschlagen, man thut es aber nicht, und das Unglück wird nicht verhütet. Man mache also von der Kaltblütigkeit dadurch den besten Gebrauch, daß man nicht mit zehn Pferden in ein Boot zu bringen ist, um an dem geschilderten Vergnügen teilzunehmen.
Man habe keinen Schirm auf die Landpartie mitgenommen. Jedenfalls tritt Regen ein, wenn auch erst, wenn die Gesellschaft sich gerade vortrefflich amüsiert. In diesem Fall wird dem Schirmbesitzer der Vorwurf nicht erspart, daß er durch seine Vorsicht den Regen verschuldet habe, was unbedingt verstimmt. Aus diesem Grunde trage man auch keine hellen Beinkleider.
Man merke sich überhaupt: Der Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande, wo es der Schauplatz einer Landpartie ist. Dies gilt nicht nur gegenüber dem Regenschirm, sondern auch, wenn man darauf aufmerksam macht, daß man den Abgang des letzten Lokalzuges versäume, falls sich die Gesellschaft nicht beim Aufbrechen sputet.
Erkennt man den Mosel- oder Rheinwein als untrinkbaren Essig, so lobe man ihn als guten Tropfen, um nicht als Spaßverderber oder Nörgeler, dem nichts genüge, zu gelten.
Wenn man sich bei Tisch erinnert, daß man in demselben Wirtshaus früher am Schluß der Tafel einen nicht würmerfreien Käse kommen sah, so warne man die Tischgenossen, aber in einer Weise, die sie nicht erschreckt, sondern die sie nur auf einem Umweg warnt und die auch den Wirt nicht verletzt. Man gebe der Warnung die Form eines Toastes, der mit den Worten schließt: Der Käse soll leben!
Wird irgendwo ein Echo aufgetrieben, so bemühe man es nicht und zwar nicht nur, weil man dazu schreien muß und ohnehin am Tage nach der Landpartie heiser zu sein pflegt, sondern weil man dadurch andere Teilnehmer veranlaßt, das Echo zu wecken, das alsdann gewöhnlich zu Verbalinjurien mißbraucht wird, welche selbst eine hartgesottene Gesellschaft auf die Dauer in Harnisch bringen können. Will man sich eben nicht mitbeleidigen lassen, so bitte man um die Erlaubnis, sich auf einen Augenblick entfernen zu dürfen, um das Echo zu interviewen. Alsdann rufe man:
Was sind die Teilnehmer der Gesellschaft, auch wenn sie sich nicht zum Vergnügen boxen?
Was empfinde ich, obschon ich bei ihnen noch nicht lange weile?
Wie findest du vertreten das weibliche Geschlecht?
Wie fandest du die Unterhaltung auf dem Waldpfade?
Wie heißen diejenigen, die in unserem Kreis bloß essen und gaffen?
Passen alle Teilnehmer unserer Gesellschaft in diese hinein?
Treiben manche nicht störend Allotria?
Nachdem das Echo diese und andere Fragen gewissenhaft beantwortet hat, wird es wohl in Ruhe gelassen werden.
Man hüte sich, von einem jungen Mädchen in der neckischsten Weise an eine einsame Stelle des Waldes geführt zu werden, da es vorkommen kann, daß daselbst ganz zufällig die Mutter, den Segen im Gewande, wartet.
Wird eine Bowle angesetzt, so denke man an den folgenden Morgen, und wenn man gerne mit Kopfschmerzen aufwacht, so trinke man tüchtig zu Ehren dessen, der die Bowle gemischt und es nicht verstanden hat.
Liebt man auf Landpartieen die Ruhe auch nur oberflächlich, so erkläre man, wenn die Spielwut ausbricht, man spiele am liebsten
Lawn tennis
. Dies ist ein Spiel, welches nicht ohne schwierige Herstellung des geeigneten Spielplatzes zu bewerkstelligen ist und daher nicht unternommen werden kann. So geht man frei aus.
Über dieses beliebte Ballspiel ist belehrend zu bemerken, daß es dabei darauf ankommt, einen Gummiball möglichst lang in der Luft hin und her zu schleudern und nicht zur Erde gelangen zu lassen. Wen es interessiert, den unschuldigen Ball in dieser
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