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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Stettenheim
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Massenabfütterung und schwöre, da bekanntlich eine solche Stadt in den nächsten zehn Jahren nicht wieder als Versammlungsort bestimmt wird, hier niemals wieder eine Einladung zur Festtafel anzunehmen.
    Man versäume nicht, einen
Parteitag der Sozialdemokraten
    mitzumachen. Für ein Geringes wird daselbst eine vortreffliche Kost und gutes Getränk gereicht. Namentlich der Arbeiterführer lebt gerne gut, und seine Mittel erlauben es ihm auch, den Arbeitern zu zeigen, welch ein Leben er für sie erstrebt. Man beteilige sich aber nicht an den Debatten, wenn man nicht fliegen kann, weil man sonst, wider Willen aus dem Saal fliegend, sich nicht zu helfen wüßte. Die Herren sind nämlich untereinander immer sehr uneinig, und es ist daher sehr unvorsichtig, einem derselben Recht zu geben, wodurch man es mit dem andern verdirbt und leicht ins Gedränge kommt. Man kneipe also nur mit, wobei die Genossen Brüder sind und zusammen auf die Neubildung der Gesellschaft anstoßen.
    Sehr beliebt ist im Sommer die
Landpartie.
    Ist man gerne an die Freuden des Winters erinnert, von denen die der Landpartie ausgeschlossen ist, so arrangiere man wenigstens eine solche oder beteilige sich daran, wenn man dazu aufgefordert wird. Aufgefordert wird man jedenfalls, und man kann sich nicht immer drücken.
    Ist man Junggeselle, so sei man vorsichtig. »Eine Partie machen« ist bekanntlich ein Doppelsinn. Fürchtet man, verlobt zu werden, und fühlt man sich nicht stark genug, die Intriguen eines edlen liebenden Mutterherzens zerreißen oder durchkreuzen zu können, so lehne man die Einladung ab, indem man auf Falb verweist, welcher den Tag der Partie als einen kritischen verzeichnet und Regen, Hagel, Überschwemmung, Gewitter und scharfen Nordwind fest versprochen habe. Dies braucht nicht wahr zu sein.
    Man wird am anderen Tage verhöhnt, aber das ist manchem lieber, als der Empfang von Gratulationen. Man kenne also die einladende Familie genau und wisse, ob sie töchterrein ist. Hat sie ausschließlich verheiratete oder verlobte Töchter, so nehme man freudig an.
    Will man trotzdem loskommen, so verbiete man, daß man geweckt werde, um als Entschuldigung den Eid leisten zu können, daß man nicht geweckt worden sei. Dies kann man mit gutem Gewissen.
    Macht man mit, so stelle man sich pünktlich zum Rendezvous ein, um daselbst noch in aller Ruhe zwei Cigarren rauchen zu können, bis alle versammelt sind.
    Am Ziel der Boot- oder Wagenfahrt angelangt, lagere man sich im Kreise der Gesellschaft und freue sich über jede Ameise, jede Raupe und jeden Käfer, von denen man bekrochen wird. Versäumt man dies, so hat man allein die Schuld, wenn die Partie nur einen Achtungserfolg erringt, da man dann hören muß, daß man der Gesellschaft wegen der wenigen unschuldigen Tierchen die anfangs so gute Laune verdorben hat.
    Aus demselben Grunde finde man auch die saure Milch so süß, daß man niemals etwas anderes trinken möchte, auch wenn man bis dahin ein passionierter Wein- oder Biertrinker gewesen ist und später bleiben wird.
    Wenn in den Wald gegangen wird, so wünscht man, ohne es laut werden zu lassen, daß die Gesellschaft das Lied »Wer hat dich, du schöner Wald« anstimmen wird. Da dies nämlich unbedingt geschieht und leider durch keine Macht der Landpartie verhindert werden kann, so ist es zu schmerzlich, wenn man unbegreiflicherweise annahm, das unvermeidliche Lied werde einmal nicht laut werden.
    Wer den Verdacht erwecken will, den Tod zu suchen, das Schicksal herauszufordern, mit dem Leben zu spielen, an unheilbarem Pessimismus zu leiden oder Schopenhauer und Nietzsche gelesen zu haben, versäume es nicht, sich der Fraktion der Landpartie, die eine Bootfahrt unternimmt, anzuschließen. In dem Boot findet sich immer ein etwas angesäuselter Teilnehmer der Gesellschaft, der nicht still sitzt, sondern sich erhebt und das Boot ins Schwanken oder zum Kentern bringt. An schönen Sommertagen sind auf Landpartieen regelmäßig mehrere fahrlässige Töter oder Mörder unterwegs.
    Ist das Boot infolge des sieghaften Witzes des Angesäuselten umgeschlagen und hat man vorher keinen Schwimmgürtel oder ein sonstiges Rettungsstück, wie man es im entscheidenden Moment nie bei der Hand hat, angelegt, so kann man hoffentlich schwimmen. Dann danke man seinem Schöpfer, auch dann, wenn man nicht schwimmen kann, keinen Rettungsgürtel oder dergleichen hat und wie durch ein Wunder gerettet wird.
    In diesem Fall bitte man das Mitglied der Gesellschaft,

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