Der Modigliani Skandal
ja gut geklappt zu haben«, sagte sie, ein erregtes Glänzen in den Augen.
»Gut genug«, erwiderte Peter. Er blickte zu Mitch. »Der nächste Schritt wäre nun wohl die Grand Tour, oder?«
»Ja. Und dafür bist du zuständig, glaube ich.«
Anne sagte: »Falls ihr zwei mich nicht braucht, das Baby braucht mich.« Sie verschwand.
»Wieso ich?« fragte Peter.
»Anne und ich dürfen vor dem Liefertag nicht in den Galerien gesehen werden.«
Peter nickte. »Das stimmt.«
»Ich habe hier die zehn Spitzengalerien aufgelistet. Die kannst du alle an einem einzigen Tag besuchen. Du siehst dir genau an, was sie haben. Wenn wir ihnen ein Bild anbieten, sollten wir vorher sicher sein, daß es eins ist, wonach sie sich sämtliche zehn Finger lecken.«
»So weit, so gut. Außerdem muß es sich um einen Maler handeln, den man leicht fälschen kann. Selbstverständlich muß er tot sein, so viele Bilder gemalt haben, daß sie kaum zu zählen sind und es nirgends ein vollständiges Verzeichnis davon gibt. Wir werden keine Meisterstücke kopieren - wir werden unsere eigenen malen. Finde für jede Galerie einen solchen Maler heraus, mach dir eine Notiz und suche dann die nächste auf.«
»Ja - und wir müssen auch jeden Maler ausschließen, der eine besondere Art von Material benutzt hat. Weißt du, es wäre alles viel leichter, wenn wir uns auf Aquarelle und Zeichnungen beschränken würden.«
»Damit können wir aber niemals jene Summen erzielen, die wir brauchen, um den Coup zu landen.«
»Mit was für einer Summe rechnest du insgesamt?«
»Wenn's weniger werden sollte als eine halbe Million, wäre ich enttäuscht.«
Durch die geöffneten Fenster des Ateliers trug die warme Augustluft ferne Verkehrsgeräusche herein. Lange arbeiteten die drei Erwachsenen in völliger Stille, und nur das zufriedene Glucksen des Babys im Laufställchen in der Mitte des Ateliers war ab und zu zu hören.
Das Baby hieß Vibeke und war ein Jahr alt. Normalerweise tat es alles, um die Aufmerksamkeit der anwesenden Erwachsenen auf sich zu lenken; doch spielte es an diesem Tag mit einem neuen Spielzeug, einer Plastikschachtel. Es hatte entdeckt, daß der Deckel manchmal paßte - und manchmal nicht; jetzt versuchte es, den Grund dafür herauszufinden.
Seine Mutter saß in der Nähe an einem Tisch und schrieb mit einem Füllfederhalter in gestochener Schrift auf ein Blatt mit dem Meunier-Firmenkopf. Die Tischplatte war mit aufgeschlagenen Büchern bedeckt: teuren Kunstbildbänden, voluminösen Nachschlagewerken, Paperbacks voll gelehrter Essays. Dann und wann schob Anne beim angestrengten Nachdenken ihre Zungenspitze ein Stück zwischen den Lippen hervor.
Mitch trat jetzt zwei Schritte von seiner Staffelei zurück und gab einen langen Seufzer von sich. Er arbeitete an einem ziemlich großen kubistischen Picasso mit Stierkampfmotiv; eines aus jener Serie von Bildern, die zu dem gewaltigen Gemälde Guernica geführt hatten. Auf dem Fußboden neben seiner Staffelei lag eine Skizze, die er jetzt genau betrachtete. Er hob die rechte Hand und wiederholte mehrmals eine bestimmte Bewegung: Er »malte« eine Linie in die Luft, bis er glaubte, sie richtig erfaßt zu haben; dann führte er sie mit raschem, entschlossenem Strich auf der Leinwand aus.
Anne hatte den Seufzer gehört. Sie hob den Kopf, blickte zuerst zu Mitch, dann zur Leinwand. »Mitch, es ist brillant«, sagte sie.
Er lächelte dankbar.
»Im Ernst, könnte das jeder machen?« fragte sie.
»Nein«, erwiderte er langsam. »Dazu gehört ein spezielles Talent. Fälschen, das ist für einen bildenden Künstler so etwas Ähnliches wie die Fähigkeit zur Mimikry bei einem Schauspieler. Einige der größten Schauspieler sind schlechte Mimen, soll heißen, Darsteller. Ist halt so eine Gabe, die nicht jeder hat.«
Peter sagte: »Wie kommst du mit den Expertisen voran?«
»Mit dem Braque und dem Munch bin ich fertig, und den Picasso schließe ich gerade ab«, erwiderte Anne. »Was für eine Entstehungsgeschichte soll Van Gogh kriegen?«
Peter arbeitete an einer Neufassung des Bildes, das er wahrend der »Wett-Malerei« mit Mitch entworfen hatte. In seiner Nähe lag ein aufgeschlagenes Buch mit Farbtafeln, in dem er häufig blätterte. Die Farben auf seiner Leinwand hatten dunkle Tonwerte, und die Linien wirkten schwer. Der Körper des Totengräbers hatte etwas Kraftvolles, dennoch sah man ihm seine Erschöpfung an.
»Seiner ganzen Art nach müßte dieses Bild zwischen 1880 und 1886 gemalt worden
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