Der Modigliani Skandal
auf jeden Fall ein zusätzliches Risiko.
Peter kippte seinen Whisky herunter, fluchte leise und bestellte einen zweiten.
Am nächsten Morgen trat Peter seinen Job in der Packabteilung an. Er arbeitete unter einem ältlichen Pariser mit einem krummen Rücken, für den der pflegliche Umgang mit Bildern so etwas wie eine Lebensaufgabe war. Den Vormittag verbrachten sie damit, frisch eingetroffene Ware auszupacken, und am Nachmittag verpackten sie Bilder zum Versand, wobei sie als Material Baumwolle, Polystyrol, Pappe und Stroh verwendeten. Peter erledigte die schwere Arbeit: Er zog Nägel aus Kistenholz und hob schwere Bilderrahmen; der Alte bereitete für die Bilder das Bett, dabei ging er so sorgfältig vor, als polstere er für ein Neugeborenes eine Wiege aus.
Sie hatten einen vierrädrigen Karren mit aufpumpbaren Reifen. Natürlich wurden auf dem Wagen Bilder transportiert. Die beiden Männer hoben die Gemälde gemeinsam auf den Karren, dann begann Peter zu schieben, während der Alte vorausging, um Türen zu öffnen.
In einer Ecke des Packraums stand ein kleiner Schreibtisch. Als der Alte am Nachmittag für eine Weile auf der Toilette verschwand, durchsuchte Peter sämtliche Schubfächer. Sie enthielten herzlich wenig: die leeren Formulare, die der Alte für jedes Bild ausfüllen mußte, einen Haufen Kugelschreiber, ein paar Büroklammern sowie mehrere leere Zigarettenpäckchen.
Sie arbeiteten sehr langsam, und der Mann erzählte Peter von seinem Leben und von den Bildern. Er sagte, daß ihm die meisten modernen Gemälde mißfielen, ausgenommen ein paar Primitive sowie - überraschenderweise, wie Peter fand - die Super-Realisten. Er besaß einen unakademischen, jedoch keineswegs naiven Kunstverstand: Peter fand seine Art erfrischend. Der Mann war ihm auf Anhieb sympathisch, und der Gedanke daran, daß ja auch er zu den Getäuschten gehören würde, war Peter unangenehm.
Während ihrer Bildertransporte durch das Gebäude sah Peter auf den Schreibtischen massenweise Briefpapier mit dem Briefkopf der Firma. Leider waren immer irgendwelche Leute in der Nähe, und der Alte begleitete ihn ständig. Außerdem genügte Papier mit dem Firmen-Briefkopf nicht.
Erst gegen Ende des zweiten Tages sah Peter dann das, was er hier eigentlich stehlen wollte.
Am späten Nachmittag traf ein Bild von Jan Rep ein, einem ältlichen holländischen Maler, der in Paris lebte und wie so viele andere Künstler Klient der alten Agentur war. Reps Werke erzielten riesige Summen, und er malte sehr langsam. Der Alte wurde durch einen Telefonanruf von der Ankunft des Bildes verständigt, und kurz darauf erhielt er die Anweisung, es sofort zum Büro von M. Alain Meunier zu bringen, dem ältesten der drei Brüder, die das Unternehmen leiteten.
Als sie das Bild aus seinem Behältnis hoben, betrachtete es der Alte mit einem Lächeln. »Wunderschön«, sagte er schließlich. »Finden Sie nicht?«
»Mir sagt's nicht zu«, erklärte Peter bedauernd.
Der Alte nickte. »Rep ist ein Maler für alte Männer, glaube ich.«
Sie luden das Bild auf ihren Wagen, fuhren damit durchs Gebäude, dann im Aufzug ein paar Etagen höher und schoben den Wagen schließlich in M. Alain Meuniers Büro. Dort stellten sie das Bild auf einen metallenen Ständer und traten dann zurück.
Alain Meunier war ein grauhaariger, vollwangiger Mann, in seinen kleinen blauen Augen glaubte Peter ein gieriges Glitzern zu entdecken. Er betrachtete das neue Bild aus einiger Entfernung und trat dann näher heran, um die Pinselführung genauer zu studieren; sodann betrachtete er es von links, danach von rechts.
Peter stand in der Nähe von Meuniers riesigem, hochfeudalem Schreibtisch, auf dem sich drei Telefone befanden, ein kristallener Aschenbecher, ein Zigarrenkästchen, ein Füllfederhalter aus rotem Plastik (vielleicht ein Geschenk der Kinder?), die Fotografie einer Frau - und ein kleiner Gummistempel.
Peters Augen hefteten sich auf den Stempel. Die Gummischicht unten war rot verfleckt, und der Griff oder Stiel war aus feinstem Holz. Peter versuchte die spiegelschriftartigen Buchstaben zu lesen, konnte mit Sicherheit jedoch nur den Firmennamen entziffern.
Es konnte kaum einen Zweifel geben: Dies war das Objekt, das er haben wollte.
Es juckte ihm in den Fingern. Am liebsten hätte er zugegriffen und sich das Ding in die Tasche gesteckt. Doch er lief Gefahr, dabei gesehen zu werden, und selbst falls ihm die anderen währenddessen gerade den Rücken zukehrten - das
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