Der Modigliani Skandal
ich mich mit meinem Geld auf zur Londoner City, wo ich entdeckte, daß von Geldgeschäften niemand mehr verstand als ich selbst. Das war so um die Zeit, als die Börse allen sozusagen um die Ohren flog. Die Leute waren vor Angst wie gelähmt. Ich kaufte einige Firmen, die, soweit ich sehen konnte, in ihrer Entwicklung börsenunabhängig waren. Und ich hatte recht. Als die Welt wieder auf die Füße kam, war ich viermal reicher als zu Anfang. Seither ist es allerdings langsamer vorangegangen.«
Samantha nickte. So ungefähr hatte sie sich's vorgestellt. »Sind Sie froh, daß Sie Geschäftsmann geworden sind?«
»Dessen bin ich mir nicht sicher.« Die Stimme des alten Mannes klang plötzlich eigentümlich schwer. »Wissen Sie, es gab mal eine Zeit, in der ich die Welt verändern wollte, genau wie ihr jungen Menschen. Ich glaubte, ich könnte meinen Reichtum dazu verwenden, anderen Gutes zu tun. Aber wenn man dann immer mehr ins Geschäftsleben verwickelt wird, wenn's um den Existenzkampf geht, wenn man Firmen zusammenhalten und Aktienbesitzer zufriedenstellen muß - also irgendwie verliert man dann das Interesse an solch grandiosen Plänen.«
Er schwieg einen Augenblick. »Im übrigen kann die Welt ja nicht gar so schlecht sein, solange es noch solche Zigarren gibt.« Er lächelte müde.
»Und Gemälde wie Ihre«, setzte Samantha hinzu.
Julian fragte: »Wirst du Sammy und Tom die Galerie zeigen?«
»Natürlich.« Cardwell erhob sich. »Gehört sich doch so.«
Als Samantha sich anschickte aufzustehen, war gleich der Butler zur Stelle, um ihren Stuhl beiseite zu rücken. Sie folgte dem alten Herrn, der das Speisezimmer verließ und die breite Treppe zum ersten Stock hinaufstieg. Oben stand eine große chinesische Vase, die Cardwell ein wenig emporhob, um einen darunter versteckten Schlüssel hervorzuziehen. Mit einem Seitenblick registrierte Samantha, daß Tom sich jede Einzelheit genau einprägte; blitzschnell huschten seine Augen hin und her. Irgend etwas unten beim Türpfosten schien seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Cardwell öffnete die schwere Tür und ließ seine Gäste eintreten. Die Gemäldegalerie befand sich in einem Eckzimmer. Ursprünglich ist dies wohl ein Salon gewesen, dachte Samantha. Die Fenster schienen durch Metallgitter geschützt zu sein.
Mit unverkennbarem Vergnügen führte Cardwell seine Gäste von Gemälde zu Gemälde und umriß in kurzen Zügen, wie er zu jedem einzelnen gekommen war.
Samantha fragte ihn: »Haben Sie Gemälde schon immer gemocht?«
Er nickte. »Das ist eines von den Dingen, die man der klassischen Bildung verdankt. Allerdings gibt es eine Menge Sachen, die da einfach ausgelassen werden - wie die Filmkunst zum Beispiel.«
Sie blieben bei einem Modigliani stehen. Das Bild zeigte eine nackte Frau, die auf einem Fußboden kniet - eine lebensechte Frau, dachte Samantha: Das Gesicht ist nicht hübsch, das Haar unordentlich, sie hat spitze Knochen und eine unreine Haut. Das Bild gefiel ihr.
Cardwell war ein so sympathischer und charmanter Mensch, daß sie allmählich Schuldgefühle empfand bei dem Gedanken, ihn zu berauben. Andererseits würden ihm seine Bilder ohnehin verlorengehen, und seine Versicherung würde ja zahlen.
Manchmal fragte sich Samantha, ob sie und Tom nicht ein wenig verrückt waren - ob seine Verrücktheit nicht so etwas wie eine Krankheit war, mit der er sie infiziert hatte - eine gleichsam sexuell übertragbare Krankheit. Sie unterdrückte ein Lächeln. Herrgott, seit Jahren hatte sie sich nicht so lebendig gefühlt.
Als sie dann die Galerie verließen, sagte Samantha: »Ich bin überrascht, daß Sie die Bilder verkaufen - sie scheinen Ihnen doch sehr ans Herz gewachsen zu sein.«
Cardwell lächelte bedauernd. »Ja. Aber was sein muß, muß sein. Manchmal geht's halt mit dem Teufel zu.«
3
»Dies ist wahrhaftig ganz verflixt abscheulich«, sagte Charles Lampeth. Diese für ihn eher herbe Ausdrucksweise fand er der Situation angemessen. Er war am Montagmorgen in sein Büro gekommen - nach einem Wochenende in einem Landhaus ohne Telefon und ohne Sorgen - und hatte entdecken müssen, daß seine Galerie in einen Skandal verwickelt war. Willow stand steif vor Lampeths Schreibtisch. Er zog ein Kuvert aus der Innentasche seines Jacketts und ließ es auf den Schreibtisch fallen. »Meine Kündigung.«
»Dazu besteht nicht die geringste Veranlassung«, sagte Lam-peth. »Sämtliche bedeutenden Galerien Londons sind von diesen Leuten genarrt worden.
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