Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
sie mit Rache drohte. Sie hatte den erwünschten Erfolg; der Geist fiel zu ihren Füßen und überreichte ihr respektvoll den Myrtenzweig. Sobald sie ihn in Händen hielt, ließ sich die Musik von Neuem hören, eine dichte Wolke umgab die Erscheinung, die Flammen verschwanden, und die vorige Dunkelheit herrschte in der Höhle.
Lewis befiel im Traum ein neuer Schrecken, und als er wieder zu sich kam, erwachte er auch in seinem Bett. Doch noch bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, überwältigte ihn die Müdigkeit, und er sank ins Kissen zurück.
Am nächsten Vormittag fühlte Lewis sich trotz des aufregenden Traumes besser, denn sein Schlaf danach war tief gewesen, und auch das Niesen hatte sich gelegt. M öglicherweise , dachte er bei sich, sollte er öfter Milch vor dem Zubettgehen trinken, wenn sie diese Wirkung hatte.
Das Frühstück hatte ihm Böttiger serviert, der damit seiner Sorgfaltspflicht als Gastgeber nachzukommen vorgab, in Wirklichkeit aber den Engländer gehörig über die Ereignisse der vergangenen Tage ausfragen wollte. Während Lewis Haferschleim löffelte, saß Böttiger auf einem Stuhl neben dem Bett.
„Ich dachte mir, dass Ihnen das guttun würde, auch als kleine Erinnerung an daheim“, meinte Böttiger mit schiefer Miene. „Wir hier essen so etwas gemeinhin nur im Krankheitsfalle, aber Sie in England mögen es ja über alle Maßen ...“
„Durchaus“, nuschelte Lewis und aß mit Appetit, da er wusste, dass er für die anschließende Fragestunde einiges an Kraft benötigte. Er hoffte, Eleonore würde ihren Mann bald zurechtweisen. Wenn das Paar gemeinsam anwesend war, war der dann in seiner Neugier etwas gezähmte Schulmeister besser zu ertragen, und zudem fühlte Lewis sich weniger von Eleonores Anwesenheit ... ja, was?
Was ging in ihm vor? Er war nicht sicher. Auf jeden Fall sah er nun dem kommenden Treffen unter vier Augen mit Eleonore recht bang entgegen. Was, by Jove , wollte sie ihm offenbaren?
„Möchten Sie noch etwas?“, fragte Böttiger und wies auf den leeren Teller, in dem Lewis gedankenverloren mit dem Löffel herumkratzte.
Der bemerkte, was er getan hatte, und schüttelte den Kopf. „Nein danke, verzeihen Sie, ich bin noch etwas abwesend.“
Böttiger schaute mitfühlend, aber um seine Mundwinkel zuckte es verräterisch. „Sicher, Ihnen ist ja auch einiges widerfahren. Ich wüsste gern, wie das war, als ...“
Lewis seufzte und begann zu berichten.
Irgendwann setzte sich der bis dahin aufmerksam lauschende Böttiger eilends auf und klatschte mit der flachen Hand gegen seine Stirn. „Ach je!“
Lewis, der gerade auf dem Spannungshöhepunkt der Ereignisse im Martinrodaer Stollen angelangt war, wunderte sich über das plötzliche Erschrecken des sonst so eifrig um Einzelheiten bemühten Böttiger. „Ja, es war furchtbar, doch ...“
„Nein, nein!“, warf Böttiger ein und stutzte dann, als Lewis die Stirn runzelte. „Sicher, es war schrecklich dort unten, aber ich meinte etwas anderes.“ Er griff in seinen Rock und suchte etwas. „Ich habe aus lauter Neu...“ Böttiger biss sich kurz auf die Unterlippe. „... ehrlicher Besorgnis ganz vergessen, Ihnen dies hier zu überreichen, es kam heute Morgen per Bote.“ Er zog ein Schreiben aus dem Rock und reichte es Lewis.
Der fand darauf außer seinem Namen nichts, was einen Absender erkennen ließ, und brach schnell das Siegel. Dann entfaltete er das Briefpapier und sah zunächst nach der Unterschrift, die das Schreiben als von Goethe stammend auswies.
Der wünschte ihm gute Genesung und bedauerte erneut die Unbilden des Schicksals samt der für ihn, Lewis, daraus erwachsenen Missstände. Er bedauerte, ihn, Lewis, dennoch nicht, wie versprochen, bald zu sich einladen zu können. Er habe noch in der Nacht der Rückkehr Order des Herzogs erhalten, ihm auf die Kampagne nach Frankreich zu folgen, und müsse der selbstverständlich sogleich nachkommen. Er sähe in dieser eine willkommene Gelegenheit, sich nach den Ereignissen im Bergwerk unter freiem Himmel aufhalten zu können und noch wichtiger: Dieser Feldzug sei ein Marsch gegen die Gefahr der Unterdrückung. So wenig wie der Mensch im Berg eingeschlossen sein sollte, so sollte er es durch fremde Unterdrücker sein, und so sehr, wie man verhindern müsse, dass ein Stollen einbrach, so müsse man auch dagegen angehen, dass das Weltgebäude, dass ein festes Herrschaftssystem stürze. Daran wolle er mitwirken. Ihm, Lewis, wolle der Geheimrat in aller
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