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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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und sein fiebriger Geist formte daraus Gebilde, die ihn enger umschlossen als die dunklen Stollenwände zuvor und, so flüsterte es ihm zu, auch die Wände seines Sarges in ungewisser Zukunft.
    Gestaltgewordene, verfestigte Finsternis lastete auf seiner Brust, nahm ihm den Atem und drückte ihm die Augäpfel in die Höhlen. Im Inneren seines Schädels war er gefangen, sah das Knochengewölbe als eine düstere Felsenhöhle, durch den ein eiskalter Wind fegte. Dicke, dumpfe Dünste nahmen ihm den Atem.
    Da sah er eine Frau aus dem Nebel treten, deren goldenes Haar vor Nässe glänzte. Sie trug ein Ordenskleid, das mit einem Mal wie Nebel zerfaserte und einer Robe wich, die Hals, Arme und Brust freiließ und von goldgewirkten Borten geschmückt war. In ihnen sah Lewis Lettern, die sich schlängelten und bewegten wie arges Gewürm. Unter der Brust der Frau war das Gewand mit einem Gürtel von prächtigen Steinen zusammengehalten, in dem ein Dolch steckte. In der einen Hand hielt die Frau eine goldene Rute aus dünnen Zweigen, die sie hob, worauf sich ihre Haare im Wind zerstreuten und über die Schultern zurückwehten. Ihre Augen glänzten, und alles an ihr flößte Lewis Achtung, Furcht und Bewunderung ein.
    Auf eine Geste hin folgte Lewis ihr, und sie f ührte ihn durch Gänge, in denen Sarkophage standen und hin und wieder Knochen und Gebeine auf der Erde lagen. In einer weiteren Höhle bedeutete die Frau ihm stillzustehen. Sie zog um ihn und sich einen Kreis auf die Erde, holte eine kleine Phiole aus dem Gürtel und verschüttete bedächtig einige Tropfen des Inhalts. Dann beugte sie sich, sprach einige misstönende, unverständliche Worte, und auf einmal ging aus der Erde eine blasse, schweflige Flamme hervor, die sich nach und nach in der ganzen Höhle, den Kreis ausgenommen, worin die Frau und Lewis standen, verbreitete. Sie stieg an den Wänden bis zur Decke auf, und so glich die Höhle einem unermesslichen, mit einer blauen, hin und her schwebenden Helle erleuchteten Gebäude. Das Feuer war ohne Hitze, vielmehr nahm die Kälte immer mehr zu.
    Die Frau fuhr mit ihren Zauberformeln fort, zog allerlei Dinge aus ihrem Gürtel, deren Wirkungen Lewis unbekannt waren, und unter denselben waren drei Menschenfinger und ein Agnus Dei, das sie zerriss und ins Feuer warf, welches sie verzehrte. Auf einmal erhob sie ein entsetzenerregendes Geschrei und schien von Verzweiflung ergriffen zu sein. Sie raufte sich die Haare, schlug sich wie eine Rasende auf die Brust, zog den Dolch aus dem Gürtel, durchstach sich den linken Arm und ließ, außerhalb des Kreises, eine Menge Blut fließen, das sich in eine dicke Wolke verwandelte, die sich bis zum Gewölbe erhob. Im nämlichen Augenblick ertönte ein heftiger, widertönender Donnerschlag, und die Erde zitterte unter ihrer beider Füße.
    Zitternd erwartete Lewis, was sich dort so fürchterlich ankündigte. Im Traum – und auch in der Wirklichkeit – lief ihm Schweiß über die Stirn, und beinahe sank er zur Erde. Wie überrascht war er jedoch, als sich, sobald der Donner verhallt war und sich die Wolke verzogen hatte, eine liebliche Musik hören ließ und ein Jüngling von außerordentlicher Schönheit erschien. Er war nackt, ein Stern blinkte auf seiner Stirn, und seine Schultern waren mit karmesinfarbigen Flügeln bewachsen. Ein buntes, feuriges Band hielt sein Haar zusammen, dessen wellenförmige Locken um sein Haupt spielten und in zierlicher Durchwindung mehr als Edelsteine glänzten. Diamantene Ringe schmückten seine Arme und Finger, und in der Rechten hielt er einen Zweig, der einem Myrtenzweige glich. Sein Leib war mit Strahlen und rosafarbigen Wolken umgeben, und seine Erscheinung war von einem angenehmen Geruch begleitet, der die ganze Höhle erfüllte.
    Lewis hielt die Augen staunend auf ihn gerichtet: Aber so schön ihm die Gestalt des Jünglings vorkam, so bemerkte er doch in seinen Augen eine Art von wilder Unruhe und in seinen Zügen eine geheimnisvolle Melancholie, welche anzeigten, dass er ein gefallener Engel sei, und ein geheimes Schrecken erregten.
    Die Musik verstummte. Die Frau wandte sich in einer Lewis unverständlichen Sprache an den Geist, der wieder antwortete. Sie schien auf etwas zu bestehen, was er ihr nicht gewähren wollte . Er warf ab und an Blicke auf Lewis, die diesen sich fürchten machten. Die Frau hingegen wurde durch seine Weigerung immer ärgerlicher : Sie sprach heftiger und in befehlshaberischer Stimme, und ihre Gesten zeigten, dass

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