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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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Kapitel
    In welchem sich so manches im Verborgenen abspielt
    D ie beiden Schwarzgekleideten führten Lewis durch die mondbeschienenen Straßen Weimars. Obwohl es noch nicht allzu spät war, begegneten sie keiner Menschenseele, was Lewis tiefer schmerzte als der harte Griff seiner Begleiter. Als sie in einiger Entfernung die Mündung der Jakobstraße passierten, war Lewis versucht, einen Hilfeschrei auszustoßen, doch schien es ihm, als umklammerten die Finger der Männer nicht seine Arme, sondern schnürten ihm die Kehle zu. Langsam trocknete der kühle Nachtwind den Angstschweiß auf seiner Stirn, doch seine Angst wurde keineswegs hinfortgeweht. Seine Knie zitterten, er rang nach Luft. Lewis war sicher, dass sein Ende gekommen war, denn um wen konnte es sich bei diesen Männern handeln, wenn nicht um zwei der – in diesem Falle abgesessenen – schwarzen Reiter? Er hatte sich seine Verfolger also doch nicht eingebildet, nun hatten sie ihn eingeholt und ergriffen, um ihn – ja, wohin zu bringen?
    Ihr Weg führte sie tiefer in die Dunkelheit, und mit einem Mal schob sich ein hochragender schwarzer Schatten vor den Mond. Lewis blickte auf und sah die Silhouette eines schlanken Turms in den Himmel stechen. Da wurde ihm sein drohendes Schicksal bewusst: Die Männer wollten ihn in den ausgebrannten Ruinen des Weimarer Schlosses ermorden und seinen Leichnam in die nahe Ilm werfen.
    Lewis versagten endgültig die Knie, und so schleiften ihn die Schwarzgekleideten an dem hochaufragenden Turm vorbei in die Ödnis des Innenhofes, der an drei Seiten von langgestreckten Gebäuden umschlossen war. Die rußdüsteren Fensterhöhlen in den Fassaden starrten wie tote Augen auf ihn hinab. Er spürte, wie die Männer ihn kurzerhand unter den Achseln packten und ein wenig anhoben, so dass seine Schuhspitzen einige Fingerbreit über dem Pflaster schwebten. So musste es sein, wenn der Körper die Seele aushauchte, dachte Lewis und schloss die Lider.
    Als er mit einem unsanften Ruck auf die Füße gestellt wurde, riss er die Augen wieder auf. Er befand sich, immer noch von den Männern flankiert, im grabschwarzen Inneren eines ausgebrannten Raumes. Durch gemauerte Bogengänge konnte er auf den matterleuchteten Hof hinausblicken, und über sich sah er die Sterne, da der Dachstuhl des Gebäudes fehlte. Von dessen Überresten oder anderen Trümmern war nichts zu sehen, man hatte die Ruine von Brettern und Steinen geräumt. Hier und da lagen Bohlen und Balken, zu Stapeln gefügt, die offenbar als Baumaterial für Gerüste dienten. Ein paar Ratten huschten vorbei, und Lewis schoss der bange Gedanke durchs Hirn, die Männer könnten ihn nach dem Mord hier zurücklassen, damit er ein Fraß des Ungeziefers werde.
    Schon schoben ihn seine Entführer weiter, tiefer in den Bau hinein, durch leere Gänge und Zimmer, die schwach durch den Nachthimmel erhellt wurden. Schließlich hielten sie in der Mitte eines Raumes inne, bedeuteten Lewis mit einem festen Druck auf seine Schultern, dort stehenzubleiben, und verschwanden dann hinter der gähnenden Türöffnung.
    Lewis blieb wie erstarrt zurück. Warum ließen ihn die Männer allein? Vielleicht wollten sie ihn nicht aus nächster Nähe töten, sondern ihn aus der Entfernung umbringen, mit einem Messerwurf oder einem Schuss? Sie erachteten ihn als so gering, dass sie sich nicht die Hände mit seinem Blut beschmutzen wollten. Oder wartete sein Mörder hier im Dunkel auf ihn?
    Lewis wandte hektisch den Kopf hin und her – und lauschte.
    Da! Weit hinten, an der kaum sichtbaren entfernten Wand des Raumes, regte sich etwas, und dieses Geräusch rührte von einer größeren Kreatur als einer Ratte her. Lewis bebte vor Angst, diesmal nicht nur in Höhe der Knie, sondern am ganzen Leib. Das Schaben kam näher. Plötzlich glomm ein Lichtschein auf, und in der Richtung, aus der die Laute gekommen waren, sah Lewis eine Türöffnung.
    Dort erschien, von einer Kerze schaurig beleuchtet, ein Mann, und dieser schritt langsam auf Lewis zu. Der flackernde, helle Fleck des Gesichtes ließ mit jedem Schritt deutlichere Züge erkennen. Ein hageres Gesicht war es, mit hoher Stirn und tief eingegrabenen Falten um Nase und Mund, die durch die Schatten, die die Kerze entstehen ließ, noch verschärft wurden. Ein breiter, aber schmallippiger Mund saß wie ein Messerschnitt unter einer gebogenen Nase, und darüber stachen Augen durch die Dunkelheit, die bösartig geschwungene Brauen und eine Zornesfalte dazwischen

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