Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
den Schächten Ilmenaus fehlten – den Hügel unter der Ruine ausgehöhlt haben, damit die Verschwörer einen geheimen Ort für ihre Treffen besaßen?
Lewis nickte, denn dies würde einiges erklären. Ihn packte das Bedürfnis, seine Erkenntnis umgehend jemandem mitzuteilen, aber dann überlegte er sich, dass Krafft, Voigt und die Soldaten dies wohl selbst entdecken würden, wenn sie das Nest der Revolutionäre aushoben. Lewis war nahezu stolz, dass durch ihn – trotz oder vielmehr wegen der Unachtsamkeit, die ihm von Krafft und Voigt vorgeworfen wurde – der ganze Spuk ein Ende hatte. Im Grunde hatte er die Obrigkeit auf die richtige Spur gebracht. Voigt konnte sich nicht beklagen, in ihm, Lewis, nicht einen hervorragenden Spitzel zu haben. Schließlich wurde dem Regierungsrat durch ihn die wichtige Nachricht vom Verschwörernest zugetragen. Fast war Lewis enttäuscht, dass Krafft auch zugegen gewesen war. Ohne ihn hätte er Voigt selbst alles berichten können.
Lewis stutzte. Hatte er alles berichtet? Es schien, als habe er etwas nicht bedacht. Er grübelte und grübelte, doch wollte es ihm nicht in den Sinn kommen. Er spürte, wie müde und erschöpft er war, auch schmerzten ihn die Knochen. Es waren zwei lange Ritte gewesen, und die Aufregung und der Sturz kamen hinzu.
Wie auch immer, Krafft, Voigt und die Soldaten waren auf dem Weg zu den Schwarzen Brüdern, um sie in Gewahrsam zu nehmen, und wenn dies geschehen war, konnte Lewis sich auch wieder sicher fühlen. Die Gefahren, die ihm – aus welchen Gründen auch immer – von den Schwarzen Brüdern drohten, würden mit jenen zusammen ein Ende finden.
Einigermaßen beruhigt sank er ins Kissen zurück und schloss die Augen. Während er in den Schlaf dämmerte, war es ihm, als hörte er von draußen Hufschläge, deren Klang von Metall auf Stein jedoch auch von Meißeln herrühren mochte, die sich in Felsen fraßen.
In der Nacht suchten ihn keine Dämonen oder Engel in seinen Träumen heim, sondern Bilder von äußerst irdischen Gefahren. Er war wieder in dem alten Brunnenschacht gefangen, doch diesmal blieb er nicht unentdeckt. Gegen den düsteren Himmel über ihm zeichneten sich dunkle Gestalten ab, die auf ihn hinuntersahen. Es war, als sei die runde Scheibe, die die Öffnung des Schachtes umriss, das Zifferblatt einer Uhr, und die zwölf Männer, die sich über den Rand beugten, bildeten die Stundenmarkierungen darauf. Im Traum fragte sich Lewis, warum es wohl zwölf Männer waren, obgleich er doch nur sechs belauscht hatte, doch dann entsann er sich der weiteren, die später hinzukommen sollten. Die zwölf schwarzen Brüder starrten ihn mit feurigen Augen an, die aus den schwarzen Halbmasken herausstachen, die den oberen Teil ihrer Gesichter bedeckten. Unter den dunklen Dreispitzen schien völlige Leere zu herrschen, nur die Augen brannten in höllischem Flammenglast.
Plötzlich erschien in der Mitte des Zifferblattes aus Himmel und dunklen Gestalten ein Zeigerpaar, das aus einer unirdisch geschwungenen Hacke und einer Schaufel bestand. Kein Mensch konnte diese Werkzeuge geschaffen haben, es musste das Bergmannszeug von Gnomen und Erdgeistern sein, das sich dort mit einem Mal unter dem Klirren von Metall auf Stein in Bewegung setzte. Wie das Ticken einer Uhr begleitete das Klirren die Zeiger auf ihrem Weg über das Rund, und jedes Mal, wenn zur vollen Stunde auf einen Mann gewiesen wurde, leuchtete ein Mondstrahl auf ihn. Dann hatten die Zeiger ihren Kreis ganz beschrieben, und sie verschwanden mit einem Krachen, als stürze das Weltgebäude ein. In diesem Augenblick beugten sich die zwölf Schwarzen Brüder vor, öffneten ihre mit Fängen bewehrten Münder und spien Ströme von tödlichem Gift in die Grube, so dass Lewis schreiend vor Angst darin ertrank.
Lewis fuhr hoch. Im Haus waren Schritte und Stimmen zu hören. Licht fiel durch den Spalt seiner Tür. Benommen stand er auf und wankte hinüber. Er konnte Böttigers Stimme und die seiner Frau erkennen. Vielleicht war etwas mit Karlchen?
Lewis öffnete die Tür und spähte hinaus. Die Stimmen kamen von der Haustür. Er trat ein wenig näher, zum Treppenabsatz hin, als schnelle Schritte auf ihn zukamen. Lewis wich zurück, und dann sah er Krafft die Stufen heraufstürmen, einen Kandelaber in der Hand, das Gesicht rötlich und verschwitzt, die Haare wirr.
Oben angelangt, sah er Lewis, und sein ernstes Gesicht erhellte sich für einen Moment. „Gott sei Dank, Sie sind wohlauf“, sagte Krafft
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