Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
Löber uns durch die Fenster des Anatomieturms beobachten können. Sicher wäre ihm Ihre Reaktion aufgefallen, und auch wenn nicht – ich wollte nicht riskieren, dass Sie ... unnatürlich handelten. Sie hätten Löber möglicherweise spüren lassen, dass Sie sich sicher mit mir an Ihrer Seite fühlten.“
Herder hustete kurz. „Das war grausam. Herr Lewis litt unter der scheinbaren Ausweglosigkeit.“
„Zunächst, Herr Herder, haben Sie gelitten“, gab Krafft ernst zurück, „und weiterhin war meine Vorgehensweise nicht so grausam wie das, was hätte geschehen können. Zudem – ich denke, dass Herr Lewis vielleicht ein passabler Dichter sein mag, aber auf seine Schauspielkünste wollte ich nicht blind vertrauen.“
Lewis schluckte diese Mischung aus Lob und Kritik und lächelte schief. „Dafür sind Sie ziemlich begabt in solcherlei Dingen. Ihre Verkörperung des Heiseren war sehr gelungen, sie konnte sogar Löber in die Irre führen.“
Krafft verneigte sich und verzog vor Schmerz das Gesicht. „Eine der Fertigkeiten, die man beherrschen muss, wenn man als ...“ Er atmete langsam ein. „Aber wir sollten von hier fort und uns in medizinische Obhut begeben. Herr Herder, was schlagen Sie vor ? Sie sind in diesem Thema und an diesem Ort bewanderter.“
Herder nickte. „Begeben wir uns zunächst auf mein Zimmer, es ist nicht weit von hier, und gleich nebenan wohnt auch ein geschickter Kandidat der Medizin, der uns helfen kann. Unsere Blessuren unterscheiden sich ja kaum von jenen, die man beim Duell erhalten mag.“ Er blickte ein letztes Mal auf die Falltür. „Auch Hardenberg wird erleichtert sein.“
Lewis drückte die Hand auf die Brust. „Wahrscheinlich sogar erfreut, so wie ich. Nachdem diese Todesdrohung von mir genommen ist – was soll ich da noch fürchten?“
Krafft deutete nach vorn. „Der Gang mit den Gerippen wäre die erste Prüfung. Als wir ihn zuvor durchschritten, spürte ich, wie Sie ...“
Lewis winkte nach kurzem Seitenblick auf Herder ab. „Meine Überraschung. Was kann mich diese Menagerie des Makabren schrecken, nach den heutigen Erlebnissen?“
Herder lachte. „Schlimmer als der Skelett-Winkel in Ihrer englischen Schule kann es wohl kaum sein.“
„Sie erinnern sich!“, rief Lewis erfreut aus. „In der Tat, dort war es wesentlich ...“
Krafft schob die beiden voran. „Wenn die jungen Herren darüber etwas später plaudern würden? Ich habe eine Degenwunde, die es zu versorgen gilt.“
Auf dem Weg zu Herders Quartier holte Krafft sein eigenes Pferd von dem Ort ab, an dem es die vergangene Zeit treu verharrt hatte. Die drei Männer ritten nun langsam nebeneinander über das dünn mit Schnee bedeckte Pflaster der Gassen, wobei Herder auf dem Tier des Heiseren saß. Auch wenn das schwankende Sitzen im Sattel ihnen wegen der Wunden einiges an Unbehagen bereitete, waren sie dennoch froh, den Weg nicht zu Fuß zurücklegen zu müssen. Auch war die Nacht nicht allzu kalt, der Atem vor den Mündern der Männer war kaum zu sehen. Herder berichtete nun, wie Löber ihn in seine Gewalt bekommen hatte. Er hatte ihm durch einen Boten eine fingierte mündliche Nachricht von Lewis zukommen lassen. Es hatte geheißen, Lewis sei seinem Arrest entkommen und suche Unterschlupf, um einige Zeit außerhalb seines Käfigs im Böttiger’schen Haus verleben zu können.
„Aber warum hätte ich dies Herrn Herder denn nicht schreiben können?“, meinte Lewis ratlos.
Krafft räusperte sich. „Weil bekannt geworden wäre, wenn Sie ein solches Vorhaben in einem Brief an Herrn Herder geäußert hätten.“
„Bekannt? Aber ...“ Lewis zog die Stirn in Falten. „Sie wollen damit sagen, dass meine Schreiben ...“
Krafft nickte. „So leid es mir tut: Ja, sie wurden überprüft. Wir wollten ausschließen, dass Sie Torheiten begehen. Voigt traute Ihnen dies nach Ihrem Ausritt nach Berka zu.“
„Ich bin nicht sicher, ob Voigt nicht genau das begrüßt hätte. Wenn ich mich in diese Gefahr gebracht hätte, wenn Löber mir nachgestellt hätte, dann wäre es Voigt gelungen, diesen ...“ Lewis riss die Augen auf. „Das bedeutet doch nicht etwa ...“
Krafft hob die Hände. „Nein! Das dürfen Sie nicht von Voigt denken.“ Leiser fügte er hinzu: „Nicht in diesem Falle ...“
„Löber wusste das?“ Lewis sah empört von Krafft zu Herder und zurück.
Krafft zuckte die Achseln. „Oder er ahnte es. Immerhin war somit kein gefälschter Brief nötig, oder eine Finte, wie er sie in
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