Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
Vom Netzwerk:
wieder zur Tür drehte, taten sich die Flügel wie mit einem Donnerschlag auf.
    Schreckliches Getöse drang vom Inneren der Öffnung auf sie ein, als ritte die Wilde Jagd eine Attacke gegen ihre Ohren, und eine gewaltige Wolke wei ßen Staubes wirbelte nach vorn.
    Lewis hob die Hände und wollte die tödlichen Schwaden abwehren. Einige panische Herzschläge später sah Lewis, wie sich in diesem unirdischen Nebel und Dunst der Schemen einer hohen Gestalt verdichtete, und dort, wo bei einem Menschen sich die Augen befanden, blitzte es auf, als sich das Sonnenlicht wieder einen Weg bahnen konnte.
    Lewis zuckte zurück, und Böttiger murmelte: „Na, na ...“
    Johann Wolfgang von Goethe hob das genialische Kinn, glitt mit dem edlen Blick über Böttiger und Lewis und sagte: „Guten Tag, die Herren.“
    Seine dunklen Augen funkelten munter. Als er Böttiger noch einmal anblickte – und er schien diesen erst jetzt so recht zu erkennen –, gingen seine Brauen so jäh nach oben, dass Lewis befürchtete, der Hirnknochen ginge mit, und das dunkle Schauen wandelte sich zum Adlerblick. Goethes Mund unter der Habichtsnase bog sich außerordentlich hin und her und nahm schließlich einen etwas unangenehmen Zug an. Als er aber Lewis fixierte, erhellte sich seine Miene in offenkundiger Neugier, und über sein braungebranntes Gesicht huschte ein Anflug von feiner Listigkeit. Lewis sah den Dichter ungläubig an. Goethe war leger gekleidet und mit Staub bedeckt. An den dunklen Hosen fanden sich gipswei ße Streifen von abgewischten Fingern. Das Haar, vorn kurz und an den Seiten glatt gekämmt, war bis über den Zopf gepudert, jedoch nicht aus modischen Gründen, sondern ebenfalls mit fein zerstoßenem Putz und Mauerwerk. Auf der mächtigen, herrischen Nase saß ein vorwitziges weißes Stäubchen, das Goethe nach Lewis’ andauerndem Starren beiläufig fortwischte.
    Um Lewis eine Peinlichkeit zu ersparen, wandte Goethe sich an Böttiger. „Schön, dass Sie da sind. Führen Sie unseren jungen Engländer herein und stellen Sie uns vor!“ H öflich ließ Goethe die beiden ein.
    In dem staubflirrenden Eingangsbereich sah Lewis nichts, was ihn an das Haus eines großen Dichters erinnert hätte. Staubige Fußspuren und Mörtelreste waren auf dem Boden zu sehen, hölzerne Eimer und Tragen standen herum, hier und da waren Werkzeuge an die Wände gelehnt, während andere auf Bretter gereiht waren, die auf Böcken ruhten. Handwerker riefen und huschten als Schemen umher.
    Goethe führte sie durch die Räume. Böttiger nieste kurz und schnäuzte sich in sein Sacktuch. Goethe sagte: „Prosit!“ und fügte eine Entschuldigung an. „Wir haben eine tragende Wand hier im Parterre durchstoßen müssen, damit ich meine Treppe bauen kann.“ Er wies auf einen Haufen Schutt und die daran schaufelnden Arbeiter. „Ich muss zwar zwei ganze Räume hier unten aufgeben und zu einem verbinden, aber dafür haben wir den Aufgang in die obere Etage dann wie in Venedig.“ Er schaute verzückt, als sähe er in all dem Wust und der Unordnung entweder seine Erlebnisse in Italien widergespiegelt oder als könne er einen Blick in die Zukunft erhaschen. Dann beschrieb er geometrische Gesten. „Je zwei Stiegen und zwei Absätze. Wie in Venedig. Eine solche Treppe auf und ab zu steigen wird man nicht müde!“ Er hob einen Fuß, setzte ihn nieder und hob den anderen. „Ach, könnte ich doch ...“
    Böttiger nieste nochmals. Goethe sah Lewis an und klatschte leicht in die Handflächen. „Aber ich schwärme und bin unhöflich! Lassen Sie uns in den Garten hinaus gehen, dort ist es ruhiger und auch weniger staubig, was der Nase des guten Böttiger zugute kommen wird.“ Er lächelte. „Die Nase ist ja der wichtigste Körperteil, wenn es um Neuigkeiten und Wahrheiten geht, nicht wahr?“ Bö ttiger biss sich auf die Unterlippe, was Lewis half, diese Anspielung zu enträtseln. Dann wies Goethe den Besuchern den Weg, der wie zufällig durch mehrere Räume führte. Es war, als wolle Goethe dem Besucher wie beiläufig auch die andere, ansprechendere Seite seines Heimes zeigen, ohne als aufdringlich stolzer Hausherr zu gelten. Lewis erhaschte nur einige Eindrücke, die aber ausreichten, ihm zu bestätigen, dass es sich hier um die angemessene Wohnstatt eines großen Dichters handelte: Die Wände in angenehmen Farben getüncht, barocke Stuckdecken, hier und da Abgüsse von Statuen sowie Bilder, die behagliche Ausblicke boten. Einige Möbelstücke, die sich nahe am

Weitere Kostenlose Bücher