Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
rechten Weg zu kommen. Lieber wollte er als Spaßmacher bekannt werden denn als Geisterseher. Er schmunzelte und ging weiter. Böttiger schloss auf und schüttelte den Kopf. „Sie haben mir einen Schrecken eingejagt.“
Lewis ließ das Kinn sinken. „Einmal mehr“, dachte er und seufzte kurz. Dann klopfte er sich auf die Hosenbeine.
„Nun, ich hätte auch sagen können, sie hätten sich wegen ihrer scheußlich gelben Hosen umgebracht. Wäre das lustiger gewesen?“
Böttiger verzog das Gesicht. „Master Lewis, ich glaube, Sie sollten noch ein wenig an Ihrem britischen Humor feilen, wenn Sie nicht als seltsam und verschroben bekannt werden möchten. Ich denke im Übrigen, dass Sie sich ausgezeichnet mit Wieland verstehen werden. Er schätzt einen gepflegten Witz – und auch einen ungepflegten.“ Er grüßte einen Bekannten, ohne im Anschluss einen Kommentar über ihn abzugeben. „Machen wir, dass wir heimkommen. So eine Tour regt den Appetit an.“
Bei Tisch erzählte Böttiger seiner Gemahlin ausführlich von den E reignissen des Nachmittags. Er begann mit Goethes ungewöhnlichem Auftritt und berichtete dann weiter. Auch sparte er nicht mit Seitenhieben auf Christiane Vulpius, ereiferte sich sogar ein wenig, so dass ihn Eleonore Böttiger zur Mäßigung ermahnen musste.
„Wie dem auch sei“, sagte Böttiger und kräuselte spöttisch die Lippen. „Immerhin ist im Jägerhaus auch das eine oder andere Erfreuliche passiert, nicht wahr, mein junger Lewis?“
Der Engländer tat, als verstünde er nicht, und versteckte das Gesicht hinter seinem Weinglas, als er einen verlegenen Schluck nahm.
„Da es dem jungen Herrn unangenehm zu sein scheint, gehe ich davon aus ...“, begann Eleonore, und Böttiger setzte ihre Rede fort: „Richtig ... dass es sich um eine schüchterne Kontaktaufnahme mit der angenehmeren Seite Weimars handelt. Nicht trockene Gelehrte und erhabene Dichter, sondern vielmehr die hübschen Töchter.“ Böttiger betete sogleich das ganze Erlebnis herunter, und Lewis war ihm dankbar, dass er es nicht unnötig ausschmückte. Lewis trank weiter, als wolle er genug Wein zu sich nehmen, um die hektische Röte seiner Wangen auf den Alkohol schieben zu können. Eleonore Böttiger klatschte in die Hände. „Das ist ja zauberhaft! Wer war das schöne Kind?“
„Ich weiß nicht“, sagte ihr Mann. „Sie half bei den Packarbeiten, war aber keine Dienstbotin. M öglicherweise eine Tochter oder Nichte aus dem Freundeskreis der Vulp ius.“
„Ah, ja, die Lustigen Weiber von Weimar “, meinte Eleonore Böttiger und fügte für Lewis hinzu: „So nennt man die erlauchte Gesellschaft von Damen, mit denen Frau Vulpius die Stunden im Geplauder verbringt.“
Normalerweise hätte Lewis fragen mögen, ob sich dieser Titel von jenem Shakespeare-Stück ableiten mochte, doch hatte er, seit das Gespräch auf seine herbeigeredete Liebschaft gekommen war, Eleonore Böttiger scharf, aber unauffällig beobachtet. Seit er in diesem Hause angekommen war, hatte er sich über deren Aufmerksamkeit und Freundlichkeit seiner Person gegenüber wohl gefreut, doch war ihm irgendetwas daran nicht geheuer. Oder vielmehr seltsam, denn es schien ihm, als gehe die Frau in ihrem Benehmen doch ein wenig über die Grenzen des anständigen Umgangs hinaus. Allerdings geschah dies offen im Beisein ihres Mannes, von der heimlichen Buchübergabe einmal abgesehen, und an Böttiger selbst hatte er keinen Missmut erkennen können. Als der nun jene Matilde erwähnte, sah Lewis in Eleonores Augen aufrichtige Freude. Matilde. Lewis verscheuchte den Gedanken und konzentrierte sich wieder auf das Gespräch.
„Zu den Freundinnen der Vulpius gehören auf jeden Fall die Wernern und die Burkhardtin. Ich wüsste aber nichts von weiblichen Verwandten im besagten Alter“, sagte Eleonore Böttiger und sah von ihrem Mann wieder zu Lewis hinüber. Sie schmunzelte. „Aber ich denke, es wäre keine Schwierigkeit, das herauszufinden.“
Böttiger nickte eifrig. „Schließlich ist da noch die Sache mit dem Taschentuch. Wenn es der jungen Dame so ernst ist, wie es mir persönlich schien, dann dürfte demnächst ein frisch gebleichtes Stücklein Stoff über diese Schwelle flattern, eventuell mit einem zarten Wink ...“
„Aber wie soll sie denn herausfinden ...“, warf Eleonore Böttiger ein.
„Sie weiß doch, dass Master Lewis bei mir wohnt, und die raue Begrüßung der Vulpius ist wohl niemandem im Raum entgangen. Außerdem bezweifle ich nicht,
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