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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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Nordflügel des Jägerhauses. Kurz hinter der offenen Tür hörten sie schon ein mit jedem ihrer Schritte anschwellendes Klappern und Scheppern. Lewis war etwas zögerlich, unangemeldet ins Haus zu treten, aber Böttiger wusste ihn zu beruhigen, schließlich sei dies besprochen, und außerdem herrsche sowieso ein Kommen und Gehen, da der Geheimrat ja umzog.
    Als sie die bald ehemaligen Goethe ’ schen Räume erreichten, fanden sie ein entsetzliches Durcheinander vor. Überall standen Kisten und Kasten, mit Hausrat angefüllt, verpackt in T ü cher und Holzwolle, um einem Zerbrechen w ährend des Transportes entgegenzu wirken. An den Wänden stachen einige helle Stellen ins Auge, die einst Ort von Bilderrähmchen gewesen sein mussten. Männer in Westen und Frauen in Schürzen huschten umher, verpackten Dinge, verstauten und verschlossen sie in den Kisten. Holzwolle stob auf. Zwei Männer balancierten auf Schemeln und hängten die Gardinen ab.
    Plötzlich klirrte etwas gellend, und das emsige Laufen und Werken kam zu einem abrupten Stillstand. Die Bediensteten drehten sich um, sahen von ihren Arbeiten auf und starrten die beiden Neuankömmlinge an. Ehe Lewis oder gar Böttiger jedoch etwas äußern konnte, geschahen zwei weitere Dinge: Zuerst hob ein durchdringendes Kinderplärren an, dann folgte eine schrille Frauenstimme, die lauthals Boshaftigkeiten vermittelte, und schließlich das unterdrückte Schluchzen einer jungen Frau.
    Während die Männer und Frauen unbeteiligte, ja ergebene Mienen aufsetzten und sich wieder ihren Aufgaben widmeten, reckten Lewis und Böttiger die Hälse und schauten durch eine Türöffnung in ein angrenzendes Zimmer, das ebenso kahl und ungemütlich wirkte wie die anderen. Dort stand eine kräftige Frau mit dunklem, in Locken gelegtem Haar und schalt ein Mädchen, das bereits am Boden kniete und die Scherben nicht mehr klar erkennbarer Glasgegenstände zusammenklaubte. In den sich bauschenden Rock der Frau drückte sich ein kleiner Junge mit blondem Schopf und heulte, was sein feistes, rundes Köpfchen hergab. Christiane Vulpius tätschelte ihrem Kind das Haupt auf mütterlichste Art, ließ ihren ziemlich groben Zügen aber ebenso grobe Worte entfahren. Unter den Tränen der Gescholtenen glaubte Lewis so etwas wie Zorn zu erkennen, und tatsächlich zeigten sich auch ein paar kleine weiße Zähne im hübschen jungen Mund, gefletscht wie bei einem Raubtier. Lewis betrachtete die Szene und war sich sicher, dass bei einem weiteren Wort der gestrengen Hausherrin die junge Frau vielleicht etwas Unbedachtes tun würde. Er sah, wie sich ein schmaler Daumen mit Absicht in eine scharfe Scherbe presste und einen Faden hellen Blutes entließ. Es schien, als wolle sich das Mädchen so von Ärgerem ablenken.
    „Dummes Ding!“, schrie Christiane Vulpius. „Als reichte es nicht, die guten Gläser des Geheimrats zu zerschmeißen, jetzt blutet sie auch noch das Parkett voll!“
    Böttiger warf Lewis einen Seitenblick zu und hob bedeutungsvoll die Brauen. Dann hob er die Stimme. „Schönen guten Tag, Frau Geheimrat.“
    Der derbe Kopf der Vulpius ruckte auf dem etwas zu kurz geratenen Hals herum, und sie schoss einen Augenblitz in Richtung des Grußes, der Lewis zusammenzucken ließ. Dann verengten sich die Augen. „Ah, Böttiger!“, sagte die Vulpius kalt. „Immer da, wo es etwas zu sehen gibt, das es weiterzutratschen gilt.“
    Böttiger deutete eine Verneigung an und wollte gerade antworten, als die Vulpius schon weitersprach. „Der Geheimrat ist nicht hier, Sie haben sich umsonst herbemüht. Guten Tag!“ Dann sandte sie schnell nacheinander vernichtende Blicke auf Böttiger, auf Lewis, wobei sie etwas zögerte, da er ihr unbekannt war, sowie auf das arme Ding zu ihren Füßen. Als sie den Kopf wieder hob, entdeckte sie etwas im Nebenraum, hob den Finger und rauschte in diese Richtung, den immer noch greinenden August hinter sich herziehend. „Habe ich nicht gesagt ...“
    Böttiger grinste Lewis an. „Auch gut. Dann gehen wir zurück. Immerhin haben Sie nun einen Eindruck von der, ah, Dame. Ich leiste mir stets den Scherz, sie mit Frau Geheimrat anzusprechen, obwohl ... Lewis?“
    Böttiger brach ab, weil Lewis in den Raum geschritten war und neben dem Mädchen in die Hocke ging, das die Glasscherben auf ein Tablett sammelte. In der Bewegung zog er sein Tuch hervor und bot es der jungen Frau an. Die sah ihn groß an, schniefte kurz, worauf Lewis erklärend auf ihren blutigen Daumen

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