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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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wies.
    „Danke, es ist nichts“, sagte sie, und ihre Stimme klang nach all den Tränen erstaunlich gefasst.
    Lewis schob das Tuch vor. „Ich bestehe darauf.“
    Das Fräulein nahm das Tuch und legte es um ihren Daumen, der immer noch blutete. Das Rot fraß sich gierig in das weiße Gewebe.
    „Danke“, sagte sie und bemerkte dann den fremdländischen Akzent ihres Gegenübers. „Wer sind Sie?“
    Lewis warf einen Blick in den Nebenraum, in dem Christiane Vulpius nicht zu sehen, aber umso vernehmlicher zu hören war. „Kein Bekannter der Hausherrin, wenn Sie das beruhigt.“
    Die junge Frau lächelte.
    „Matthew Gregory Lewis. Von England. Ich nehme hier Sprachstunden.“
    „Ich bin Matilde ...“, stellte sie sich vor und sah von ihrem Finger zu Lewis und wieder zurück. „Sie sind sehr aufmerksam. Ich möchte das Tuch gern waschen und Ihnen zurückgeben ...“
    Lewis nickte. „Sicher. Ich wohne …“
    „Bei mir“, warf Böttiger ein und bedeutete Lewis, sich zu erheben. „Kommen Sie, wir wollen Goethe nicht warten lassen.“
    Lewis zögerte. „Aber ...“
    „Ja, ich weiß“, entgegnete Böttiger mit wissendem Lächeln. Er lauschte übertrieben in Richtung des angrenzenden Zimmers. „Aber wenn die Frau Geheimrat sieht, wie Sie die Leute von der Arbeit abhalten, dann bekommt diese junge Person hier Ärger.“ Von nebenan waren erneut lautstarke Worte strengen Inhalts vernehmbar. „Sie selbst im Übrigen womöglich auch, also los, kommen Sie!“
    Lewis stand zögernd auf, ohne den Blick von Matilda zu wenden. Sie blieb am Boden, ihr helles Kleid um sie herum ausgebreitet wie ein Blütenkelch. Lewis’ Blick fiel auf das rotgetränkte Taschentuch, dann trafen sich seine Blicke mit jenen Matildes. Er nickte, mehr wusste er nicht zu äußern. Matilde vollführte einen Augenaufschlag, der selbst Böttiger anrührte. Lewis stand wie vom Donner gerührt, bis Böttiger ihn wegführte. An der Tür wandte sich Lewis noch einmal um und sah, wie Matilde ihm nachsah und leicht die Hand hob. Die mit dem blutgetränkten Tuch.
    „Lewis, nehmen Sie sich doch etwas zusammen!“, sagte Böttiger und deutete dem jungen Engländer weiterzugehen. „Sie haben noch sehr viel Zeit, jedweden amourösen Dingen nachzugehen, aber ich denke, Sie sollten einen klaren Kopf haben, wenn ich Sie Goethe vorstelle. So haben alle Beteiligten etwas davon. Es wäre nicht gut, wenn Sie durch Liebesgedanken abgelenkt sind.“
    Lewis schüttelte den Kopf. „Nein, nein, es ist anders, als Sie denken ...“
    Böttiger legte den Kopf schief, so gut es bei dem raschen Schritt, den er anschlug, ging. „Das bezweifle ich, Master Lewis. Verschiedene Anzeichen waren eindeutig ... seien Sie nicht so zaghaft!“
    „Es ist wirklich anders, als Sie denken. Ganz anders.“ Lewis wandte den Kopf ab und marschierte stumm weiter.
    Böttiger fragte sich, warum der junge Mann sich so gegen diesen Gedanken sträubte, dann schob er es auf dessen wunderliche britische Herkunft und ließ das Thema fallen. Nun hatte er Mühe, mit Lewis Schritt zu halten, der zielgenau auf den Frauenplan zustrebte.

    Als sie über den Platz auf die ausgedehnte Front des Hauses zugingen, vernahmen sie das gleiche Hämmern wie in der Ackerwand. Lewis bemerkte einen Mann, der einen offensichtlich schweren Sack durch eine der beiden Toreinfahrten rechts und links des Haupthauses schleppte. Auch sah er eine Schubkarre, auf der sich weitere Säcke befanden. Das Klopfen schwoll an, je mehr sie sich der Fassade näherten. Kurz vor den vier Stufen zum Haupteingang sah er in einer gemeißelten Inschrift über der Tür den Satz: „Zur Ehre Gottes und der Zierde der Stadt“ . So übersetzte Lewis es sich aus dem Lateinischen.
    Böttiger bemerkte es. „Der Spruch stammt noch vom vorigen Eigentümer. Aber der neue, Goethe, legt alles daran, ihn in Tatsachen umzusetzen. Zumindest den zweiten Teil. Er lässt das Innere nach eigenen Entwürfen gestalten.“ Böttiger senkte die Stimme. „Herzog Carl August lässt sich dies ein gerüttet Maß Geldes kosten: sechstausend Reichstaler für das Haus selbst und für den Umbau noch einmal so viel.“
    Dann klopfte er an die wuchtige Tür. „Schauen wir, ob es sich lohnt ... das heißt – junger Master Lewis, machen Sie sich bereit, den großen Goethe zu treffen!“ Er klopfte erneut, während Lewis sich Kragen und Tuch zurechtrückte und sich durchs Haar fuhr. „Keine Bange, Sie sehen adrett aus“, versicherte Böttiger ihm, und als er sich

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