Der Mönch und die Jüdin
dem man mit sehr übelriechenden Materialien umgeht. Deswegen heißt es von den Gerbern, dass sie vor Geld stinken.« Konrad schmunzelte. Diesen Spruch hatte er noch nie gehört. In Neuwerth gab es nur einen einzigen Gerber. Dessen Haus stand wegen des Gestanks ein ganzes Stück vom Dorf entfernt an einem Bach.
Sie bogen in eine andere Gasse ein, in der es weniger schlimm roch, und dann blickte Konrad auf eine hohe Stadtmauer aus mächtigen Steinen. In dieser Mauer befand sich ein großes Tor, durch das man den Fluss sehen konnte – und viele Schiffsmasten. Aufgeregt hielt er nach Hannah Ausschau.
Sie sahen einander im selben Moment. Hannah lehnte ein paar Schritte seitlich des Tors an einem Mauervorsprung, wo sie nicht Gefahr lief, von Pferdefuhrwerken oder Ochsenkarren überrollt zu werden. Sie lächelte und winkte.
Als er sie sah, fühlte er sich sofort wieder ganz unsicher und verwirrt. Er ging zu ihr und verneigte sich unbeholfen. »Anselm meinte, dass es eine Riesendummheit ist, wenn ich …« Er unterbrach sich. Was redete er denn da? Er war völlig durcheinander und presste verlegen die Lippen zusammen.
Einen Augenblick schaute sie irritiert. »Aber Ihr seid trotzdem gekommen«, sagte sie dann. »Wie schön. Und Simon hat mit Euch den Schleichweg durch die Gerbergasse genommen, um Euch den Markttrubel zu ersparen.«
»So viele Menschen. Das bin ich gar nicht gewöhnt.« Allmählich ordneten sich seine Gedanken wieder halbwegs. Aber wenn er Hannah anschaute, bekam er weiche Knie.
»Kommt. Wir gehen ein bisschen spazieren. Ich zeige Euch den Hafen.«
Konrad schaute sich um. »Wo ist denn Simon geblieben?«
»Oh, er hat die Anweisung, in der Nähe zu bleiben, aber doch so viel Abstand zu halten, dass er nicht hört, was wir beide sprechen.« Sie lächelte. »Er führt seine Anweisungen immer sehr gewissenhaft aus.«
Tatsächlich sah Konrad jetzt, dass der Diener vielleicht zwanzig Schritte entfernt an einer Hauswand lehnte.
Hannah hakte sich bei Konrad unter und führte ihn durch das Tor. Dicht neben ihnen rumpelten die riesigen Räder eines Fuhrwerks dröhnend über das Pflaster, so dass er erschrocken zusammenzuckte.
Dann waren sie durch den Torbogen hindurch. »Das ist immer wie eine Befreiung«, seufzte Hannah. »Hier draußen habe ich das Gefühl, dass ich richtig durchatmen kann.«
Vor ihnen lag der Hafen von Köln. Eigentlich war die gesamte Rheinseite der Stadt ein einziger großer Hafenkai. Konrad sah Schiffe, so weit sein Blick reichte. Rechts vom Hafentor lagen die Schiffe, deren Aussehen Konrad vertraut war, weil sie rheinaufwärts verkehrten. Zu seiner Linken lagen andere, große Schiffe mit turmhohen Masten.
»Los, wir schauen uns die Koggen an!«, sagte Hannah, nahm seine Hand und zog daran, ließ aber plötzlich wieder los. »Oh, nein!«, stöhnte sie.
»Was ist? Was habt Ihr?«
Sie machte Anstalten, sich hinter seinem Rücken zu verstecken. »Da kommt Benjamin, einer meiner schrecklichen Vettern. Zu spät – er hat mich schon gesehen!«
Konrad erblickte einen jungen Mann mit schwarzen Haaren und lockigem Bart. Er trieb mit schneidender Stimme eine Schar Bediensteter zur Eile an, die auf Handkarren allerlei Waren von den Schiffen in Richtung Markttor beförderten. Als er zu Hannah hinüberschaute, erschien ein boshaftes Grinsen in seinem Gesicht. »Das ist ein Sohn meines Onkels Nathan«, flüsterte Hannah in Konrads Ohr. »Und er ist genauso schlimm wie sein Vater.«
»Hallo, Base!«, rief Benjamin. »Wohin des Wegs?«
»Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Vetter«, gab Hannah schnippisch zurück.
Inzwischen war Benjamin nahe herangekommen und blieb stehen. »Was treibst du dich am Hafen herum, noch dazu mit einem Goj? «, fragte er und musterte Konrad mit einem verächtlichen Blick. »Müsstest du nicht deinem Vater im Kontor helfen?« In hämischem Ton setzte er hinzu: »So ein Pech, dass Joseph keinen Sohn hat und deshalb auf Weiberarbeit angewiesen ist.«
Konrad spürte an Hannahs Körperhaltung und Gesichtsausdruck, wie sehr Benjamins Worte sie kränkten, und sofort tat sie ihm leid. Er hätte dem Burschen gerne die Meinung gesagt, aber möglicherweise machte er es noch schlimmer, wenn er sich einmischte. Und außerdem mangelte es ihm an Selbstsicherheit und Autorität, das wusste er nur zu gut.
»Wird Zeit, dass du verheiratet wirst, Base! Der dicke Salomon wartet immer noch in Shimons Herberge. Oder willst du vielleicht eine Schickse werden?«
»So ein
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