Der Mönch und die Jüdin
aufgewachsen.«
Wie Hannah, dachte Konrad, und sofort hatte er Mühe, sich auf das zu konzentrieren, was Malachias sagte, auch wenn dessen Redeschwall sicherlich nett gemeint war. Er hielt vor einer Tür und sagte: »Herr Gilbert, der Erzbischof hat wieder das Zimmer für Euch ausgewählt, in dem Ihr bei Eurem letzten Besuch gewohnt habt. Ich hoffe, das ist in Eurem Sinne?«
Gilbert bedankte sich und verabschiedete sich von ihnen, weil er sich etwas ausruhen wolle. Zwei Türen weiter, auf der anderen Seite eines langen, von Öllampen erhellten Flurs, blieb Malachias wieder stehen. »Eure Räume sind hergerichtet, wie Ihr es wünscht, Herr Anselm«, sagte er. Mit diesen Worten zog er sich zurück, wobei er Konrad vergnügt zuzwinkerte.
Hinter der dicken Holztür öffnete sich ein Zimmer, in das Konrads Klosterzelle mindestens zehnmal hineingepasst hätte. Ein schwerer Tisch mit zwei bequem aussehenden Ledersesseln stand darin, dazu ein großes, geradezu herrschaftlich wirkendes Bett. »Wo … werde ich denn schlafen?«, fragte Konrad.
»Hier. Das ist dein Zimmer«, sagte Anselm, als sei es das Natürlichste von der Welt. »Ich wohne nebenan.« Jetzt sah Konrad, dass es einen Durchgang gab, mit einem dicken Ledervorhang davor. Anselm schlug den Vorhang zurück, und dahinter lag ein zweiter, ebenso großer Raum, der allerdings bewohnter wirkte, denn es standen einige Utensilien darin herum – ein paar Folianten und Pergamentrollen, Schreibzeug, einige Waffen. »Ehe ich vor einem halben Jahr zu euch nach Neuwerth kam, habe ich längere Zeit hier gelebt«, sagte Anselm. Konrad sah, dass auch aus Anselms Zimmer eine Tür auf den Flur führte.
In beiden Zimmern standen je zwei geräumige Holztruhen, in denen sich alles Mögliche verstauen ließ. In Anselms Zimmer gab es sogar einen kleinen Kamin. Und zwei Fenster, deren Rahmen mit geölter Leinwand bespannt waren, ließen Tageslicht herein. Konrad klappte eines der Fenster auf und sah, dass es außen solide Läden gab, die Schutz vor Wind und Winterkälte boten.
Die Fenster gingen auf die gleiche Seite hinaus wie die im erzbischöflichen Arbeitszimmer. Konrad konnte den Dom nun sogar von etwas höherer Warte aus sehen und befand sich sozusagen in Augenhöhe mit den Krähen. Plötzlich erblickte er unten auf dem Platz einen jungen Mann, der ihm bekannt vorkam. Der junge Mann steuerte zielstrebig auf den Eingang des Bischofspalastes zu. Jetzt fiel Konrad ein, woher er ihn kannte: Es war einer von Joseph ben Yehiels Hausdienern. Konrads Herz fing aufgeregt zu klopfen an. Er schluckte. Was hatte der Diener wohl im Palast zu besorgen? Sollte etwa … Er merkte, wie seine rechte Hand aufgeregt die Muschel in seiner Tasche umklammerte.
»Weißt du«, sagte Anselm hinter ihm, »das Leben hier im Palast kann wirklich schön sein. Der Erzbischof ist ein sehr angenehmer Zeitgenosse, und er schätzt den Gedankenaustausch mit Gelehrten und Reisenden aus aller Herren Länder, so dass es an seinem Hof eigentlich ständig interessante Gäste und Empfänge gibt. Man findet immer anregende Gesprächspartner, und es gibt eine reich bestückte Bibliothek. Arnold hat ausgezeichnete Lehrer an seine Domschule geholt. Offenbar treibt ihn der Ehrgeiz, Paris in dieser Hinsicht Konkurrenz zu machen. Auch Gilbert wird sich ja nicht ständig in Neuwerth aufhalten, sondern jedes Jahr für einige Monate hier an der Domschule lehren. Hättest du nicht Lust, dir mal kräftig Stadtluft um die Nase wehen zu lassen? Hier im Palast und in der erzbischöflichen Kanzlei kannst du Dinge lernen, die Fulbert oder Matthäus dir niemals beibringen könnten.«
Konrad war eigentlich gerade mit der Frage beschäftigt gewesen, was Josephs Diener wohl im Palast wollte. Doch jetzt hörte er aufmerksam zu. »Vorhin hatte ich den Eindruck, es sei längst beschlossene Sache, dass ich in Köln bleiben soll«, sagte er. »Oder jedenfalls habe ich den Herrn Erzbischof so verstanden. Aber warum hast du mir das denn nicht von Anfang an gesagt? Ich bin immer davon ausgegangen, ich würde mit Gilbert wieder ins Kloster zurückkehren und …«
»Möchtest du das denn?«
»Ich … weiß nicht, was ich möchte«, antwortete Konrad.
»Dann werde dir darüber klar. Niemand zwingt dich zu irgendetwas. Wenn du mit Gilbert ins Kloster zurückkehren willst, dann kannst du das tun. Hier in Köln hättest du die Möglichkeit, eine Menge von mir und Arnold zu lernen. Du könntest Arbeit hier im Palast und in der Kanzlei erledigen
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