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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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an Josephs Lebensabend, nach allem, was er für sie getan hatte, mit ihm zu zerstreiten, war ihr unerträglich. Sie straffte sich, starrte einen Moment mit zusammengekniffenen Augen nachdenklich auf den Boden. »Angenommen, ich willige ein und heirate Salomon«, sagte sie leise, »dann wäre ich gerade jetzt, wo Ihr mich viel mehr braucht als früher, weit weg in Speyer. Wer wird Euch dann im Kontor helfen?«
    »Das könnte Simon übernehmen«, antwortete Joseph. »Du weißt, wie verständig und fleißig er ist. Mit etwas Anleitung würde er bestimmt schnell zu einer tüchtigen Hilfe im Geschäft. Für das Haus finde ich dann schon jemand anderen. Und wenn die Verhältnisse in Köln sich wieder normalisiert haben, hat Salomon bestimmt nichts dagegen, wenn du uns ein paarmal im Jahr besuchen kommst. Dann werden wir Gelegenheit für Gespräche haben und können viel Zeit in der Bibliothek verbringen, ganz wie früher. Aber …«
    Hannah holte tief Luft und sagte: »Dann werde ich es tun, Vater! Ich werde Salomon ben Isaak heiraten. Euch zuliebe. Wenn Ihr mir dazu ratet, ist es bestimmt das Beste, was ich tun kann.« Sie fühlte sich besiegt, nicht durch Joseph, sondern durch die Umstände, die nun einmal so waren, wie sie waren. Gleichzeitig hatte sie das Gefühl, dass ihre Kraft dahinschwand. Sie war kein freier Mensch mehr.
    Joseph schaute Hannah lange an.
    »Nein«, sagte er dann nachdrücklich.
    »Nein was?«
    Er zog den Schmetterling wieder aus der Tasche und rief laut nach Simon. Dann wandte er sich wieder Hannah zu: »Weißt du, ich bin als junger Mensch dickköpfig meinen Weg gegangen und habe damit in meiner Umgebung oft verständnisloses Kopfschütteln hervorgerufen. Aber ich bereue keinen meiner Schritte, auch nicht meine Fehler, denn ich habe viel Wertvolles aus ihnen gelernt. Ohne sie wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin.«
    Simon eilte aus der Küche herbei.
    »Simon, bringe diese Brosche dem Salomon ben Isaak«, sagte Joseph. »Sage ihm, dass ich ihn sehr achte und es aufrichtig bedaure, aber dass ich ihm meine Tochter nicht zur Frau geben kann. Und wünsche ihm in meinem Namen eine gesegnete Heimreise nach Speyer.«
    Da fiel Hannah ihrem Vater um den Hals. Sie umarmten einander liebevoll, mit Tränen in den Augen. »Möge Jahwe dich stets behüten und leiten«, sagte Joseph leise.

A RNOLDS OFFENES G EHEIMNIS
    D en Weg zurück zum Palast zu finden, war nicht so schwer, wie Konrad befürchtet hatte. Vom Rhein aus war der Dom gut zu sehen. Konrad musste nur am Kai entlang flussabwärts gehen. Dabei sah er sich fasziniert die riesigen Fähren an, die, mit großen Rudermannschaften besetzt, Menschen, Reitpferde, Kühe, Schweine und hochbeladene, von stattlichen Kaltblutpferden oder Ochsen gezogene Fuhrwerke über den Fluss beförderten.
    An der Wasserfront der Stadt, gleich hinter der Wehrmauer, erhoben sich prächtige Kontorhäuser, von denen eines Konrad besonders beeindruckte. Es stand ein kleines Stück oberhalb der Fähranlegestellen und sah fast aus wie der Palast eines Fürsten, mit einer hoch über dem Rhein aufragenden Terrasse, die mit Zinnen bewehrt war wie der Bergfried einer Burg. Konrad überwand seine Schüchternheit und fragte einen Mann, was denn das für ein Haus sei. »Das ist das Hardefust-Haus, Fremder«, antwortete er. »Sie sind eine der reichsten Familien in Köln.« Hardefust. Dann wohnte dort vermutlich Godefrid, dieser unangenehme junge Kerl, der Hannah so übel mitgespielt hatte. Sofort fand Konrad das Haus gar nicht mehr so schön. Er wandte sich rasch ab und ging weiter.
    Angesichts des herrlichen Wetters und der aufregenden Hafenatmosphäre kam Konrad aber schnell wieder auf andere Gedanken. Während er dort am Wasser entlangschlenderte, fühlte er sich auf eine beschwingte Art verzaubert von Hannahs Schönheit. Wie hatte Gott etwas so Wunderbares erschaffen können wie diese Frau? Konrad nahm sich vor, nie wieder schlecht über Frauen zu denken oder zu reden.
    Sein Herz fühlte sich ganz anders an als zuvor. Da war eine neue Wärme in seiner Brust, sein Atem strömte freier. Immer wieder sah er Hannah vor sich: Wie sie anmutig eine Haarsträhne zurückstrich, ihr träumerischer Blick, die beschwingte Art, wie sie sprach, lachte, ging.
    Aber auch die Eindrücke des Hafens trugen zu seiner Hochstimmung bei: Was er hier gesehen und erlebt hatte, wirkte wie aus einem Traum. Jedes Schiff barg exotische Geheimnisse. Was musste es für ein Gefühl sein, eine Kogge zu

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