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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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dagegen sah zufrieden aus. Für sein Alter erstaunlich gewandt, schwang er sich auf die Tribüne, richtete seinen Stock auf die Unglücklichen, als könne er damit Blitze schleudern, und brüllte auf Deutsch: »Ins Feuer! Ins Feuer!«
    Nun hielt die Menge nichts mehr. Die Menschenmassen drängten nach vorn und stürmte die Tribüne. Anselm und seine Soldaten stellten sich schützend vor den Erzbischof. Die fünf Soldaten bei den ›Armen Christi‹ leisteten kaum Gegenwehr. Arnold rief ihnen zu, sie sollten niemanden aus der Menge verletzen. So zogen sie sich kampflos zurück. Für den Bischof und sein Gefolge interessierte sich niemand, sie wurden nicht attackiert.
    Die Gefangenen wurden ergriffen und unter lauten Rufen über den Platz geführt. Immer wieder tönte es: »Ins Feuer! Ins Feuer!« Inzwischen hatten viele bereitwillig helfende Hände die Pfähle aufgestellt, die wohl von der Hinrichtungsstätte draußen vor der Stadt stammten. Holz und Reisig wurden aufgeschichtet.
    Ungläubig sah Konrad die verklärten Gesichter der Gefangenen. Sie sangen laut, als seien sie Mönche und Nonnen bei der Morgenandacht. »Wie furchtbar«, sagte Hannah fassungslos. »Diese armen Menschen …«
    Jetzt, wo es an der Tribüne ruhiger wurde, weil die Masse zu den Scheiterhaufen drängte, hörte Konrad oben einen lauten Wortwechsel zwischen Anselm und dem Erzbischof.
    »Was zögerst du?«, rief Anselm. »Soll ich mit der Reiterei dazwischengehen? Vielleicht kann ich sie noch aufhalten!«
    »Kommt nicht in Frage!«, entgegnete Arnold. »Es gäbe ein sinnloses Gemetzel mit hohen Verlusten. Dafür will ich meine edlen Ritter nicht opfern!«
    »Aber sollen wir etwa tatenlos zusehen?«
    »Zieh die Soldaten vom Platz ab! Sie sollen den Dom und den Palast bewachen. Wir können hier nichts mehr tun. Wir ziehen uns in den Dom zum Gebet zurück.«
    Immer noch sangen die Angeklagten, als man sie fesselte, je zwei an einen Pfahl. Konrad hörte, wie jemand sagte: »Seht ihr, wie verblendet sie sind, dass sie so singen?« Und ein anderer sagte: »Das ist die Macht des Teufels. Er treibt sie dazu, um uns zu verhöhnen.«
    Konrad fühlte sich plötzlich schrecklich unwohl. Das Herz flatterte in seiner Brust, seine Knie zitterten. Ihm war, als müsse er sich übergeben. Kalter Schweiß brach ihm aus. Die schöne Frau, die schöne Frau aus seinen Träumen … das grausig verbrannte kleine Kind … schreckliches, tödliches Feuer … der Scheiterhaufen … kalter, bösartiger Hass in den Augen der Mordbrenner … Das waren keine Menschen mehr, sie hatten sich in widerwärtige Bestien verwandelt. Der Junge verbarg sich, ängstlich zusammengekauert, hinter dem Fass, das grässlich nach faulendem Fisch stank.
    Konrad hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, sein Atem wurde schnell und keuchend. »Du … du bist ja auf einmal kreidebleich«, sagte Hannah besorgt, drängte sich noch dichter an ihn und strich ihm beruhigend über seinen Arm.
    Radulf persönlich ging mit einer großen Fackel unter lauten Beifallrufen von Pfahl zu Pfahl und legte Feuer an das Reisig. Und immer noch sangen die ›Armen Christi‹, die zu einem schrecklichen Tod verdammt waren, als fände hier ein feierlicher Gottesdienst statt. Dann nahm der Rauch ihnen den Atem, und ihr Gesang erstarb in ersticktem Husten. Und als die Flammen gierig emporzüngelten, hallten laute Schmerzensschreie über den Platz.
    Da gaben Konrads Beine nach, er klammerte sich an Hannah fest, um nicht ins Bodenlose zu stürzen, in einen Höllenschlund voller schrecklichem Feuer. Er befand sich jetzt mitten in seinem schrecklichen Traum. Da war die schöne Frau mit den grünen Augen. Sie schrie in Todesqualen, dann sank ihr Kopf bewusstlos herab, und das Feuer verzehrte sie. Ihr Leib und ihr schönes Gesicht verbrannten bis zur Unkenntlichkeit. Da war das Mädchen, das die grünen Augen seiner Mutter hatte, an einen anderen Pfahl gefesselt. Auch ihm näherten sich die Flammen, doch wie durch ein Wunder erreichten sie es nicht. Der Mann, der schreiend sein Schwert schwang – er rannte auf das Mädchen zu, um es vor den Flammen zu retten, und das Mädchen rief: »Ludowig! Ludowig!« Konrad sah nicht mehr, was um ihn herum geschah. Er hörte, wie Hannah erschrocken seinen Namen rief. Sein Körper war eine gefühllose Masse, die fiel und fiel …

TOD UND LIEBE
    D IE V ERTRIEBENEN
    R ichtig schwarz vor Augen war es Konrad nur einen kurzen Moment. Dann fand er sich am Boden liegend wieder. Hannah und

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