Der Mönch und die Jüdin
nicht, dass sie für eine aussichtslose Sache hingemetzelt werden.«
»Aber irgendetwas müssen wir doch tun!«, rief Konrad verzweifelt.
»So traurig das ist, aber manchmal hilft wirklich nur beten«, sagte Gilbert. »Vielleicht gibt es noch Hoffnung. Vielleicht laufen die Dinge hier anders als in Bonn, und es gelingt Radulf nur, ein kleines Häuflein um sich zu scharen.«
Konrad schüttelte den Kopf. »Ach, ihr habt doch selbst erlebt, welcher Teufelshass dort draußen brodelt! Sie werden alle mitgehen!«
Anselm legte Konrad die Hand auf die Schulter. »Pass auf, es gibt etwas, das wir tun können: Ich nehme ein paar Männer, reite ins Viertel und bringe Hannahs Familie von dort weg. Wir werden sie im Palast verbergen und holen auch Hannah und ihren Diener dorthin. Dann sind sie alle in Sicherheit.«
»Aber Joseph würde seine Gemeinde nicht im Stich lassen«, entgegnete Konrad. »Und wie ich Hannah kenne, wird auch sie nicht tatenlos hierbleiben wollen.«
Anselm rieb sich nervös die Stirn. »Du hast recht, das ist kein guter Plan.«
Konrad suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Es musste doch eine Lösung geben, wie sie zumindest die Menschen retten konnten. »In Bonn sind zumindest jene Juden unversehrt geblieben, die rechtzeitig aus der Stadt geflohen sind. Du willst nur Josephs Familie wegbringen, Anselm. Warum nicht … die ganze Gemeinde wegbringen? Sie müssen fliehen, sie müssen alle sofort aus Köln fliehen!«
»Aber wohin?«, fragte Anselm. »Das Land um Köln ist weit und eben, es gibt fast nur Äcker und Wiesen, kaum Wald. Wo sollen sie hier Zuflucht finden?«
Konrad dachte angestrengt nach, und da sprang die Lösung regelrecht in sein Bewusstsein. Nur zwei – allerdings recht lange – Tagesmärsche von Köln rheinaufwärts erhob sich eine mächtige Burganlage, die Friedrich von Schwarzenberg so groß hatte bauen lassen, dass sie ein ganzes Heer aufnehmen konnte. Doch jetzt gab es hinter den gewaltigen Mauern nur noch fünfzehn Soldaten. Der größte Teil der Anlage stand ungenutzt leer. »Na, auf der Wolkenburg!«
»Die Wolkenburg?« Anselms Gesicht hellte sich auf. »Konrad … großartig! Ich glaube, das ist die Lösung! Warum bin ich nicht selbst darauf gekommen? Aber wir müssen uns beeilen. Lauf mit Hannah und Simon ins Viertel, so schnell du kannst. Alle Juden, die mitkommen wollen, sollen sich auf dem Platz vor der Synagoge versammeln. Ich rede mit Arnold. Ich bin sicher, dass er einverstanden ist. Ich kenne ihn. Er mag manchmal … schwach sein, aber er ist kein schlechter Mensch. Er hilft, wo er helfen kann. Ich sammle in der Zwischenzeit meine Ritter und komme nach. Wir treffen uns vor der Synagoge.«
»Ich begleite dich«, sagte Gilbert zu Konrad. »Ich bin froh, wenn ich helfen kann, statt tatenlos hier herumzusitzen.«
Schnell rannten sie beide in die Sakristei. Konrad erklärte Hannah rasch seinen Plan. Ihr Gesicht hellte sich auf. »Es wird schrecklich sein, das Viertel zurückzulassen. Aber es ist wichtiger, unser Leben zu retten als unsere Häuser.«
Während sie außen am Dom entlangliefen, um unter Simons Führung, der den kürzesten Weg kannte, in einer schmalen Gasse unterzutauchen, dröhnten hinter ihnen Radulfs markige Sätze über den Platz. Die Menschen standen dort jetzt noch dichter, und immer mehr Leute aus den christlichen Stadtvierteln drängten von hinten nach. Konrad kannte die Tiraden bereits aus Bonn:
»Gewiss ist es eine ehrenwerte Sache, sich dem großen Kreuzfahrerheer anzuschließen und die Erde des Heiligen Landes mit dem Blut der teuflischen Sarazenen zu tränken, die das Grab unseres Erlösers besudelt und geschändet haben. Aber genügt es, ins Heilige Land zu fahren und dort die Heiden zu bekämpfen? Wo, so frage ich euch, sitzen die schlimmsten, hinterhältigsten und teuflischsten Feinde der Christenheit? Ich habe gebetet und immer wieder gebetet. Und Gott hat mir den Heiligen Geist gesandt und zu mir gesprochen. Gott hat mir gesagt, wer seine schlimmsten und bösesten Feinde sind: Es sind jene, die mit unvorstellbarer Grausamkeit seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus ermordet haben. Jene, die keine Gelegenheit auslassen, brave Christen zu betrügen und zu übervorteilen. Es sind die Juden!«
Der schreckliche, zustimmende Jubel der Massen trieb die vier vor sich her. Sie rannten, so schnell sie konnten. Vielleicht war Gott ja auf ihrer Seite, so wie Jesus auf der Seite der Bedrängten und Verfolgten gewesen war. Jedenfalls
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