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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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schien es Konrad, dass sie geradezu durch die Gassen flogen, wie auf Engelsflügeln, so schnell bewegten sich ihre Beine.
    Und da kam auch schon Josephs Haus in Sicht. »Bestimmt ist er um diese Zeit im Kontor«, keuchte Hannah. Als sie aufgeregt in das Kontor hineinplatzten, hielt sich dort nicht nur Joseph ben Yehiel auf. Mindestens ein Dutzend Männer hatten sich versammelt, einige alt und ehrwürdig, andere noch jung an Jahren.
    Atemlos redeten Hannah, Konrad und Simon durcheinander, bis Joseph die Hand hob. »Der Reihe nach, ich bitte euch!« Dann traf auch Gilbert ein, der bei dem Tempo der jungen Leute nicht ganz hatte mithalten können. »Konrad, erkläre du unseren Plan«, sagte Hannah. Jetzt ruhten alle Blicke auf ihm, was ihm sehr unangenehm war. Aber er schaffte es, ruhig und klar den Fluchtplan mit der Wolkenburg als Ziel darzulegen. »Die Wolkenburg?«, fragte Joseph. »Das wäre wirklich eine geeignete Zuflucht. Und Ihr seid sicher, dass der Erzbischof einverstanden ist?«
    »Anselm von Berg, der Marschall, hat es uns versprochen, und auf sein Wort ist Verlass«, sagte Gilbert.
    Wie sich herausstellte, war Gott wirklich auf ihrer Seite. In Josephs Kontor hatten sich nämlich die Gemeindeältesten, Josephs Bruder Nathan, der Rabbiner und einige der besonders tatkräftigen jüngeren Männer versammelt. Man hatte bereits beschlossen, aus der Stadt zu fliehen, denn es hatte sich schon herumgesprochen, was sich auf dem Domplatz zusammenbraute. »Leider gibt es etliche, die auf keinen Fall gehen wollen«, berichtete der Rabbiner. »Sie werden sich in ihren Häusern oder in der Synagoge verbarrikadieren.«
    Wie in Bonn, dachte Konrad und fürchtete, dass jene, die blieben, kaum eine Chance haben würden, den morgigen Tag zu erleben.
    »Doch mindestens zwei Drittel wollen gehen.«
    Alles Weitere war schnell besprochen. Die jüngeren Männer schwärmten aus, um die Menschen, die das Viertel verlassen wollten, auf dem Platz vor der Synagoge zu versammeln.
    Doch Hannah hatte einen ganz anderen Gedanken, als nur sich selbst zu retten. »Wir müssen schnell so viele Bücher wie möglich auf den Wagen laden, Vater!«, sagte sie aufgeregt.
    Joseph schüttelte den Kopf. »Dafür ist keine Zeit, Tochter! Alle, die mitgehen, können nicht viel mehr mitnehmen, als das, was sie am Leibe tragen. Komm, die Zeit drängt!«
    Hannah war ganz erschüttert und entsetzt. »Die Bücher … die Bücher …«, stammelte sie. Konrad legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie auf den Hof.
    Dort standen Rebekka und ihre Mutter und weinten. Hannah eilte zu ihnen und umarmte sie. Joseph ben Yehiel verließ als Letzter das Kontor und schloss die Tür. Sein Gesicht war bleich, strahlte aber eine harte, grimmige Entschlossenheit aus. Er fasste Konrad beim Arm, schaute ihm fest in die Augen und sagte leise, so dass die anderen es nicht hören konnten: »Was auch geschieht, Konrad, versprecht mir, dass Ihr Hannah niemals im Stich lassen werdet. Ich weiß, sie liebt Euch, und ich glaube, Ihr liebt sie auch.«
    Da wusste Konrad, dass es endgültig war. Er würde niemals die Profess ablegen, und er würde auch nicht ins Kloster zurückkehren. Dieses Leben lag für immer hinter ihm. »Ich verspreche es, ehrwürdiger Joseph. Ich verspreche es bei allem, was mir heilig ist.«
    Der alte Mann wirkte sehr erleichtert. Er umarmte Konrad und küsste ihn auf die Wange. Dann gingen sie eilig gemeinsam los, um zu den anderen aufzuschließen.
    ***
    Hannah fragte sich, was ihr Vater wohl zu Konrad gesagt hatte. Seine Miene hatte so ernst und bedeutsam ausgesehen, und dann hatte er Konrad auch noch umarmt. Jetzt bot sich allerdings keine Gelegenheit nachzufragen, denn die beiden gingen ein Stück hinter ihr, zusammen mit Rebekka, die die weinende Mutter stützte.
    Draußen auf der Gasse sah sie, wie ringsum Männer, Frauen und Kinder aus den Häusern strömten. Und da stand Onkel Nathans großer Frachtwagen. Ihre Tante saß darauf sowie einige andere Frauen, kleine Kinder und die alten Männer aus der Nachbarschaft. »Los!«, rief Onkel Nathan, der mit der Peitsche in der Hand auf dem Kutschbock saß, während seine Söhne hinter dem Wagen standen. »Beeilung! Die Weiber auf den Wagen!« Es sah ihm ganz ähnlich, dass er sofort das Kommando an sich riss. Rebekka und Ruth stiegen folgsam auf. »Was ist, brauchst du eine Extraeinladung?«, herrschte er Hannah an.
    »Ich gehe mit Vater!«, erwiderte sie bestimmt.
    Er funkelte sie wütend an, zuckte dann

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