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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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kleinen Hagen. Konrad selbst und Brigid hatten sich ängstlich aneinander geklammert. Sie wurden brutal getrennt und ebenfalls nach draußen gezerrt. Der Atem der Männer roch nach Wein und Met. Während sie Konrad und die anderen mit sich schleppten, grölten sie schreckliche Gesänge. »Die Hexe wird jetzt sterben, und ihre Bälger gleich dazu. Schluss mit der Teufelsbrut, ab mit euch in die Feuersglut!« Sie lachten verächtlich und sangen diese grässlichen Zeilen immer wieder. Einmal stolperte Brid und fiel hin. Da riss einer der Männer sie an den Haaren vom Boden hoch. Konrad hatte das Gefühl, dass sie keine Menschen mehr waren. Der Hass hatte sie in Unholde verwandelt.
    Sie kamen zu dem Richtplatz draußen vor dem Dorf. Zwei Pfähle waren dort aufgestellt worden, an deren Fuß die Männer Scheiterhaufen aufgeschichtet hatten. Da stellte sich ihnen der Dorfschulze in den Weg. »Seid ihr wahnsinnig geworden?«, schrie er. »Der Burgvogt hat gesagt, dass wir sie aus dem Dorf jagen sollen. Von Verbrennen war nicht die Rede! Sie ist immer noch seine Frau, vergesst das nicht. Und der Erzbischof duldet keine Hexenverbrennungen. Wollt ihr, dass man unser Dorf dem Erdboden gleichmacht?«
    »Halt's Maul, Alter«, rief einer der Männer. »Das werden die hohen Herren schon nicht tun! Der Bischof möchte doch wohl kaum auf die Steuern verzichten, die er uns abpresst.«
    »Verjagen hat der Herr Anselm gesagt, nicht verbrennen!«, beharrte der Schulze wütend.
    Der Mann, der Konrad festhielt, war für einen Moment von dem Streit irritiert und abgelenkt. Er hatte seinen Griff gelockert. Ohnehin war er so betrunken, dass er ständig schwankte.
    Da rief von weiter hinten jemand laut: »Die Frau vom Schankwirt ist hoch zur Burg gelaufen! Bestimmt ruft sie die Ritter!«
    »Das verfluchte Weibsstück hätten wir gleich mit verbrennen sollen!«, rief Konrads Aufpasser mit schwerer Zunge. »He, Roderich, was machen wir denn jetzt?« Darüber vergaß er Konrad und ließ ihn einfach los. Und Konrad rannte, huschte zwischen den Männern hindurch wie ein Hase. Da war dieses Fass. Es stand vor einem Schuppen. Hinter dem Fass tauchte er unter. Es stank fürchterlich nach fauligem Fisch.
    »Verflucht, der Junge ist entwischt!«
    »Geht nach Hause, Leute! Überlasst die Frau mir. Ich bringe sie weg«, sagte der Schulze.
    »Aus dem Weg!« Ein Faustschlag streckte den Schulzen nieder. »Los, macht schnell! Um den Jungen kümmern wir uns später!«
    Sie banden Brid und Hagen, der schrecklich weinte, an den einen Pfahl, und Brigid an den anderen. Brigid zitterte am ganzen Körper und wimmerte leise. Seine Mutter starrte die ganze Zeit mit weit aufgerissenen Augen dorthin, wo die Straße von der Burg herunterkam. Offenbar hoffte sie verzweifelt, dass in letzter Minute noch Rettung eintraf.
    Aber die Männer zündeten die Scheiterhaufen an. Prasselnd zischten die Flammen empor. Das Letzte, was Konrad vom vertrauten Gesicht seiner Mutter sah, war dieser verzweifelte, auf Rettung hoffende Blick zur Burg. Dann schrie sie gellend, und ihre Schönheit verging im Feuer. Konrad saß vollkommen erstarrt hinter dem Fass und konnte den Blick nicht abwenden.
    Ein Reiter preschte heran – Ludowig, brüllend wie ein Wahnsinniger. Er ritt mitten in die Männer hinein, wild mit dem Schwert schwingend, und schlug Roderich, dem Anführer der Mörder, den Kopf ab. Dann sprang er vom Pferd, streckte mit dem Schwert zwei weitere Männer, die sich ihm in den Weg stellen wollten, nieder und rettete Brigid aus den Flammen. Und da endlich näherten sich oben von der Burg die donnernden Hufe der Ritterpferde.
    »Konrad?«
    Er hatte seine Umgebung vollkommen vergessen. Er schwitzte und zitterte am ganzen Körper. Ludowig stand neben ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Ich habe ja gesagt, dass die Erinnerung schmerzhaft werden würde«, sagte er.
    Konrad hatte das Gefühl, aus einer tiefen Ohnmacht zu erwachen. Seine Mutter hatte gar nichts gesagt. Aber jetzt fiel ihm ein, dass die flammenden Worte, die sie den Dörflern vom Pfahl aus entgegengeschleudert hatte, erst später in seinen Träumen aufgetaucht waren, als er schon vierzehn oder fünfzehn Jahre alt gewesen war. Wahrscheinlich hatte er sich immer gewünscht, dass sie nicht sterben sollte, ohne die Männer von Vineberg verflucht zu haben. Und dann hatte der Traum sich diesem Wunsch entsprechend verändert.
    »Er hat Bescheid gewusst«, sagte er leise.
    »Wer?«
    »Anselm. Der Dorfschulze hat es

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