Der Mönch und die Jüdin
Hemd war so bunt, wie Konrad noch nie eines gesehen hatte! Es war aus Flicken von weißem, rotem, gelbem und grünem Stoff zusammengenäht und mit allerlei langen Fransen besetzt, die lustig hin und her tanzten, wenn er sich zur Musik bewegte. Die drei anderen Musiker trugen schlichte dunkle, knielange Hemden. Alle vier waren barfuß. Hartmanns Begleitmusiker waren noch recht jung, nicht viel älter als Konrad selbst. Einer spielte auf einer Fidel, einer auf einer Schalmei und der Dritte auf einer kleineren Flöte, die höher und weniger quäkend als die Schalmei klang.
Sie machten tanzende Bewegungen zu der Musik, was Konrad sehr sonderbar fand. Tanzende Menschen hatte er bisher erst ein einziges Mal erlebt: bei einem Bauernfest in Neuwerth, an dem er mit Fulbert zufällig vorbeigekommen war, als sie am Bootshafen eine Lieferung Pergamente für die Bibliothek abgeholt hatten. Konrad hatte fasziniert zugeschaut, wie die Männer und Frauen sich im Takt der Musik wiegten, laut sangen und mit den Füßen aufstampften. Doch Fulbert hatte ihn streng mit sich fortgezogen. »Wenn die Leute tanzen, singen und saufen, ist Satan nicht fern«, hatte der Bibliothekar mit verächtlicher Miene gesagt.
Konrad betrachtete die drei jungen Musikanten aufmerksam und suchte bei ihnen nach verräterischen Anzeichen. Standen ihnen Sünde und Laster ins Gesicht geschrieben? Gewiss war ein Badehaus ein Ort voller böser und verderblicher Einflüsse. Balduin war nicht müde geworden, seine Mönche vor solchen Orten zu warnen. ›Pforten der Hölle‹ hatte er sie genannt. Und Konrad hatte noch deutlich im Ohr, wie der alte Abt die Weiber verdammt hatte, die dort die Männer in Versuchung führten. »Sie sind so verdorben wie Eva, die einst Adam verführt und damit das Menschengeschlecht in die Verdammnis gestürzt hat, aus der es nur einen einzigen Ausweg gibt: Abkehr von der Sünde, Buße und ein keusches, mönchisches Leben in völliger Hinwendung zu Jesus Christus, unserem Erlöser!«
Doch äußerlich war den Spielleuten nichts Verdächtiges anzusehen. Mit lächelnden Gesichtern tanzten und musizierten sie, und Rainald und Brigid, dann auch Sigismund und Wolfram und deren Frauen klatschten, sichtlich vergnügt, im Takt der Musik, als gäbe es nichts Schöneres auf der Welt.
Hartmann gab den dreien einen Wink, und die Musik verstummte. Nun trat er allein vor, ließ seine Harfe erklingen und sang dazu auf Deutsch:
Der starche winder hat uns uerlan,
div summerzit ist schone getan;
walt vnde heide sih ih nu an,
lŏp vnde bl ů men, chle wohlgetan ; dauon mag uns frŏde nimmer zergan. { * }
Konrad hätte nicht gedacht, dass Hartmann so gut singen konnte. Seine Stimme war sanft und doch kraftvoll. Sie hatte etwas Verführerisches, das Konrad missfiel. Er sah, dass Brigid und auch die beiden anderen Frauen die Augen geschlossen hatten, wohl, um besser lauschen zu können. Die Melodie, die Hartmann auf der Harfe spielte, veränderte sich, wurde süßer und klagender. Nun sang er:
S ů ziv vrowe min,
la mih des geniezen:
du bist min ovgenschin.
Venus wil mih schiezen!
nu la mih, chuniginne, diner minne niezen!
ia nemag mih nimmer din uerdriezen . { ** }
Bei diesen Zeilen warf er Brigid begehrliche Blicke zu, in einer geradezu schamlosen Weise. Aber Rainald schien nichts dabei zu finden – im Gegenteil, er genoss die Darbietung offensichtlich und sparte nicht mit Beifall.
Ih han eine senede not, div t ů t mir also we;
daz machet mir ein winder chalt
vnde ovch der wize sne.
chome mir div sumerzit,
so wolde ih prisen minen lip
umbe ein vil harte schoniz wip . { * }
Hartmann ließ die Harfenmelodie sanft ausklingen, so dass die Töne durch den Saal davonschwebten wie Schmetterlinge. Er zog eine kleine Papierblume aus seinem Hemd und reichte sie Brigid. Dann verneigte er sich tief vor ihr.
Lächelnd nahm Brigid die Blume und steckte sie an den Ausschnitt ihres Kleides. Doch dann umarmte sie Rainald und küsste ihn auf die Wange. »Genug geminnt, Hartmann«, sagte Rainald, der überhaupt nicht wütend oder verärgert wirkte. »Diener! Mehr Wein für unsere Gäste! Jetzt ist es Zeit für ein Trinklied. Und auf Lateinisch, bitteschön! Zu Ehren unseres hohen geistlichen Besuchs.« Der Burgherr verneigte sich vor Gilbert von Nogent.
Nun stimmten alle vier Musikanten eine schnelle, fröhliche Weise an und sangen auf das Wohl der anwesenden Gäste. Als die Spielleute geendet hatten, klatschten alle fröhlich Beifall, auch Matthäus und Gilbert,
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