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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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mit goldenem Met, hell im Krug perlendem Rheinwein oder frischem Quellwasser löschen.
    Konrad wurde von Gilbert sofort in ein angeregtes Gespräch verwickelt. Dabei beeindruckte ihn die Freundlichkeit ihres neuen Abtes tief. Er glaubte nicht, je zuvor einem so gütigen und sanftmütigen Menschen begegnet zu sein wie Gilbert von Nogent. Der Magister theologicae erkundigte sich interessiert nach dem Leben im Kloster Neuwerth und wollte wissen, wie sein Vorgänger Balduin den Konvent geleitet habe, denn schließlich sei die Führung eines Klosters für ihn eine neue Aufgabe, die er erst noch lernen müsse.
    Konrad fühlte sich vollkommen akzeptiert als der Mensch, der er war, völlig ungeachtet seines Alters oder seines Ranges. Dergleichen wäre bei Balduin oder Fulbert undenkbar gewesen. Er hatte schon bald das Gefühl, sich mit einem guten Freund zu unterhalten, und merkte, dass er Dinge offen aussprach, die er nicht einmal Matthäus gegenüber geäußert hätte. Dabei fühlte er sich in keiner Weise ausgehorcht. Das ganze Gespräch war ein offener Austausch von Eindrücken und Empfindungen, wie Konrad es noch nie erlebt hatte. Irgendwann sprachen sie über Konrads Arbeit im Skriptorium, und zum ersten Mal erzählte Konrad einem anderen Menschen von der Faszination, die das Wunder der Schrift und der Literatur auf ihn ausübte.
    »Oh, das kann ich sehr gut verstehen«, sagte Gilbert lächelnd. »Auch ich bin schon in jungen Jahren diesem Zauber verfallen. Ein Leben ohne Bücher und Schriftrollen könnte ich mir nicht mehr vorstellen! Dann käme ich mir arm vor wie eine Kirchenmaus.«
    Konrad fragte sich, ob ein Mensch, der eine solche Freundlichkeit, Demut und Bescheidenheit ausstrahlte, wirklich ein gefährlicher Häretiker sein konnte. Gilbert hatte liebenswürdige Lachfalten um die Augen, und sein kurzgeschorenes Haar mit der Tonsur schimmerte dunkelsilbern. Konrad schätzte ihn auf vielleicht Ende vierzig. Sein Körper war überschlank, fast hager, mit großen, aber dennoch zart wirkenden Händen, die er lebhaft einsetzte, um seine Worte zu unterstreichen. Da er des Deutschen nicht mächtig war, unterhielt er sich mit Konrad auf Latein, das er auf eine melodische, fließende Art sprach. Zu Konrads Überraschung sprachen auch der doch ziemlich grobschlächtig und grimmig wirkende Burgvogt Rainald und sogar seine Frau Brigid recht gut Latein, so dass sie sich ohne Probleme an der Unterhaltung beteiligen konnten.
    Immer wieder ertappte Konrad sich dabei, dass er verstohlen zu Brigid hinschaute. Jedes Mal, wenn er sie ansah und ihre Blicke sich trafen, lächelte sie ihn freundlich an, und er geriet in den Bann ihrer großen grünen Augen. Ihm war, als hielte sie den ganzen Saal in ihrem Bann gefangen, doch er entdeckte schlichtweg keine Anzeichen dafür, dass das ein böser Zauber war. Er hatte versucht, sich zu wappnen, doch je länger der Abend dauerte, desto mehr fragte er sich, wogegen er sich eigentlich wappnen wollte. Vielleicht hatte die Sympathie, die er inzwischen für Brigid empfand, auch etwas mit ihren reizenden Kindern zu tun. Die Zwillingsjungen Friederich und Ottokar waren, wie er erfahren hatte, im Juli des Vorjahres zur Welt gekommen. Zu Beginn des Essens hatten Rainald und Brigid die beiden Kinder stolz den Gästen vorgestellt, dann waren sie von der Amme zu Bett gebracht worden.
    Die Herrin der Wolkenburg saß groß und aufrecht neben ihrem Gemahl. Erst im beleuchteten Rittersaal hatte Konrad bemerkt, dass Brigid nicht mehr die grüne Hosenkleidung trug, in der sie aussah wie ein Jäger in weiblicher Gestalt. Sie hatte ihr üppiges rötliches Haar hochgesteckt und ihren kräftigen Körper in ein blaues Kleid gehüllt. Es war mit kleinen Sternen bestickt, die silbern schimmerten wie Mondlicht.
    Als alle fertig gegessen hatten, klatschte Rainald laut in die Hände. Diener kamen herein, hoben die große Holzplatte der Tafel mit allen Tellern und Schüsseln auf und trugen sie hinaus, ebenso wie die dicken Holzböcke, auf denen die Platte gelegen hatte. Man stellte die Stühle im Halbkreis um den Kamin, und jedem wurden nach Wunsch Getränke nachgeschenkt, wobei Konrad, der spürte, wie ihm der köstliche Wein zu Kopf gestiegen war, es vorsichtshalber bei Quellwasser beließ.
    »Und nun – herein mit den Spielleuten!«, rief Rainald.
    Zusammen mit dem blonden Hartmann, den Konrad ja bereits kannte, betraten noch drei Musikanten den Saal. Hartmann trug statt seiner Wollweste jetzt ein Hemd, und dieses

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