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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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entstellt hat? Auch glaube ich, dass er in der letzten Nacht in meiner Kemenate war und an meinem Bett stand, wenn das nicht nur ein Traum war.« Die Gespräche verstummten und alle Blicke wandten sich Konrad zu, der unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her rutschte. Er spürte sofort, dass er besser geschwiegen hätte.
    Rainald von Falkensteins Gesichtsausdruck veränderte sich auf sonderbare Weise. Es fiel Konrad schwer, seine Miene zu deuten. Düsternis lag in seinem Blick, aber auch eine tiefe Traurigkeit. Der Burgvogt räusperte sich und sagte: »Er war … aber nein, das habt Ihr gewiss nur geträumt, Konrad.« Mehr sagte Rainald nicht, schaute aber seine Frau an, geradezu hilfesuchend. Jedenfalls kam es Konrad so vor.
    Brigid sagte leise: »Kein guter Moment, um über derart dunkle Dinge zu sprechen. Ich hoffe, es wird eine Zeit kommen, wo du mit Ludowig … Freundschaft schließen kannst, Konrad.« Das klang irgendwie seltsam, und er hatte den Eindruck, dass Brigid die ganze Angelegenheit unangenehm war. Jetzt wirkte sie nicht mehr königlich überlegen, sondern unsicher und schüchtern, wich Konrads Blick aus.
    Rainald nickte. »Ja, lasst uns sehen, was die Zeit bringt.« Rasch fügte er hinzu: »Nun aber werdet Ihr die Kunst des Reitens erlernen.« Der Vogt der Wolkenburg war sichtlich bestrebt, das Thema zu wechseln. »Anselm und Wolfram, ich denke, Euch kann ich mit der Aufgabe betrauen, in unseren Ställen ein geeignetes Pferd für den jungen Herrn hier zu finden. Nach der Messe für den verstorbenen Boten habe ich mit Sigismund einige Geschäfte in Vineberg zu erledigen und kehre erst am Abend zurück.«
    Gilbert von Nogent hatte nicht am Frühstück teilgenommen, weil er sich bereits in der Burgkapelle aufhielt, um sich auf die Messe vorzubereiten.
    Als Konrad später in der Kapelle zwischen Anselm und Matthäus auf einer der kalten, harten Bänke saß, konnte er gar nicht anders, als bei der Predigt geradezu an Gilberts Lippen zu hängen.
    »Wenn es geschieht, dass ein junger Mensch einen scheinbar sinnlosen Tod stirbt, stellt sich immer die Frage: Wie kann unser Gott so etwas zulassen? Unser Verstand sucht nach Erklärungen und findet sie nicht. Natürlich ist es verabscheuungswürdig, was seine Mörder getan haben, und sie werden sich dafür vor dem höchsten aller Richter verantworten müssen. Und auch so mancher von ihnen wird vor der Zeit durch Schwert oder Lanze sein Leben lassen.«
    Wo Abt Balduins Predigten streng und fordernd gewesen waren, klare Anweisungen für Sitte und Moral gegeben hatten, sprachen aus Gilberts Worten Sanftheit und Güte, die unmittelbar das Herz erreichten.
    »Letztlich kennt nur Gott die Antworten auf all unsere Fragen, und unser Herr Jesus Christus hat uns gelehrt, dass die Liebe der einzige Weg zu Gott ist. Je mehr wir lieben und uns von Barmherzigkeit und Mitgefühl leiten lassen, desto näher sind wir seinem Reich. Hass und Grausamkeit hingegen verhärten unser Herz. Dann irren wir, fern des Paradieses, einsam durch die kalte Nacht.«
    Gilbert sprach von der Bergpredigt, und als er geendet hatte, waren nicht nur Brigid, sondern auch die Männer zu Tränen gerührt, obwohl keiner von ihnen den jungen Soldaten persönlich gekannt hatte. Auf eine geradezu bewundernswerte Weise hatte Gilbert ihre Herzen mit Liebe gefüllt, so dass für Gedanken der Rache und des Blutvergießens kein Raum mehr zu sein schien.
    Rainald hatte entschieden, Anselm ein Schreiben an den Erzbischof mitzugeben. Falls der Soldat in Köln eine Familie hatte, die Anspruch auf den Leichnam erhob, konnte er später immer noch überführt werden. Selbstverständlich war die Gruft unter der Kapelle ausschließlich den Burgherren und ihren Familien vorbehalten. Daher wurde der Tote nun von Wolfram und drei anderen Rittern ins Freie, auf den Friedhof neben der Kapelle getragen.
    Die Burg hatte in ihrer erst relativ kurzen Geschichte noch keine größeren Kämpfe erlebt. So hatte man bisher kein Beinhaus bauen müssen, wie es in Städten oder großen Dörfern dazu diente, die Knochen der Toten aufzunehmen, wenn die Friedhofserde für sie nicht mehr ausreichte.
    In Neuwerth gab es ein solches Beinhaus. Als ihm Anselm vor einiger Zeit die Totenschädel und Gebeine dort gezeigt hatte, war Konrad sich schaudernd der eigenen Vergänglichkeit bewusst geworden. Als der in Tücher gewickelte Leichnam des Botenreiters, auf dessen Brust man sein Schwert gelegt hatte, in die Grube hinabgelassen wurde, musste Konrad

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