Der Mönch und die Jüdin
an die Beisetzung Abt Balduins denken. Er spürte eine quälende Beklemmung, die ihn kaum atmen ließ.
Kurze Zeit später ging er mit Anselm und Wolfram zu den Ställen. Die beiden Männer schwiegen, offenbar noch ergriffen von Gilberts Predigt und der Beisetzung. Konrad fühlte sich ziemlich erschüttert und zittrig. Er fragte sich, wie jemand ein Leben als Ritter führen konnte, ein Leben, bei dem das Risiko eines blutigen, gewaltsamen Todes ein ständiger Begleiter war.
Die Ställe der erzbischöflichen Burg waren groß und auch die Pferde darin alles andere als klein. Keines von ihnen war Konrad sympathisch. Neben ruhigeren Tragtieren gab es riesige, furchterregende Streithengste, die darauf abgerichtet waren, um sich zu beißen und auszukeilen und so dem Ritter in der Schlacht das Fußvolk vom Leibe zu halten.
Wolfram verschwand ganz hinten in einer Ecke des Stalls und kam mit einem Pferd zurück, das deutlich kleiner war als die anderen. Es war hellbraun, hatte einen breiten Rücken und einen ziemlich dicken Bauch.
»Was ist denn das?«, fragte Anselm und durchbrach damit, zu Konrads Erleichterung, endlich das drückende Schweigen. »Sieht nicht gerade danach aus, als ob es bis nach Köln durchhalten würde!«
»Unterschätzt mir den guten Vagabundus nicht«, sagte Wolfram. »Er ist zäh und recht gutmütig.« Er zwinkerte Konrad zu. »Jedenfalls für ein Pferd.«
»Nun ja, wer fällt, fällt bei diesem Klepper jedenfalls nicht tief.« Anselm grinste Wolfram an, der das Grinsen erwiderte. Konrad fühlte sich völlig fehl am Platze und sehnte sich plötzlich nach dem Neuwerther Kräutergarten, ja sogar nach Fulberts strengem Regiment im Skriptorium. Doch nun war es zu spät, um einen Rückzieher zu machen. Denn Wolfram führte den dicken Vagabundus bereits zu dem Turnierplatz im hinteren Teil des Burggeländes, wo sonst, wie er sagte, die Soldaten mit ihren Streitrössern trainierten. Als Erstes zeigte er Konrad, wie man ein Pferd sattelt. Mit den Händen war Konrad nicht ungeschickt, und so fiel es ihm leicht, Wolfram die nötigen Griffe nachzumachen. Dann aber galt es, den am runden Pferdebauch festgezurrten Sattel auch zu besteigen.
Zu Konrads Verdruss waren sie längst nicht mehr allein. Neben Anselm, der lässig am Zaun des Reitplatzes lehnte, hatten sich noch ein paar junge Knappen eingefunden, saßen auf dem Zaun und tuschelten. »Seht euch dieses Mönchlein an«, sagte der eine leise zu seinen Kumpanen, »führt im Kloster ein feines Leben und hat noch nie auf einem Pferd gesessen.«
»Ich bin gespannt, wie seine Kutte aussieht, wenn er erst einmal unten im Dreck liegt«, sagte ein anderer hämisch. Sie flüsterten, sprachen aber doch laut genug, dass Konrad jedes Wort hören konnte.
»Haltet euer Maul im Zaum!«, wies Wolfram sie schroff zurecht. Daraufhin schwiegen sie, grinsten aber erwartungsvoll. Nun kamen auch noch drei ältere Männer, setzten sich nebeneinander auf einen als Bank dienenden Baumstamm und gafften.
»Na los, bring's hinter dich«, sagte Anselm. »Davon, dass du zögerlich herumstehst, wird es nicht besser.« Seufzend schob Konrad einen Fuß in den Steigbügel, zog sich am Sattel hoch und schwang das andere Bein über den ihm endlos breit erscheinenden Rücken des Pferdes. Der sichere Boden war nun beunruhigend weit weg, und er hatte das unangenehme Gefühl, dass dieses Pferd im nächsten Moment irgendetwas Schreckliches tun würde. Ängstlich presste er die Beine gegen Vagabundus' Flanken, um sich so gut wie möglich festzuklammern. Das Pferd begann unruhig zu tänzeln.
»Ruhig, nur ruhig«, sagte Wolfram, der die Zügel hielt. Konrad spürte wie sich die Angst in seinem Bauch ausbreitete, so dass er am ganzen Körper zitterte. So fest wie möglich drückte er seine Waden gegen den Bauch des Pferdes, um nur ja nicht den Halt zu verlieren. Vagabundus schnaubte laut.
»Locker lassen!«, sagte Anselm. »Entspann dich, Junge, sonst wirft er dich ab.«
Aber da war es schon zu spät. Mit überraschender Schnelligkeit bäumte sich dieses auf den ersten Blick dick und schwerfällig wirkende Pferd auf, stieg hoch, und Konrad fiel. Er landete unsanft auf dem vom Morgentau feuchten, schmierigen Erdboden des Reitplatzes.
Die jungen Kerle klatschten höhnisch Beifall, und einer der älteren Soldaten sagte hinter vorgehaltener Hand etwas zu seinem Nebenmann. Mit pochendem Hinterteil und brennendem Rücken lag Konrad im Dreck und kämpfte gegen die Tränen an, die ihm vor Angst und
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