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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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Milan war immer noch da. Nachdem Brigid Vagabundus lange Zeit im Schritt geführt hatte und Konrad ein immer besseres Gefühl dafür bekam, sanft mit den Bewegungen zu fließen, fing sie an zu laufen. Zuerst kehrte Konrads Angst zurück, als er sich nun hoch über dem Erdboden viel schneller und schwankender als zuvor fortbewegte.
    Aber es war seltsam – die Sache fing bald an, Spaß zu machen! Konrad musste lachen, laut und befreit, er fühlte den Wind in Gesicht und Haaren. Für einen kurzen Moment sah er fremde Landschaften an sich vorbeiziehen, die er mit Vagabundus durchstreifen würde. Er sah weite, fruchtbare Flussauen, bevölkert von den Fabelwesen aus der Klosterbibliothek – Elefanten, Löwen und Greife. Er sah hell in der Sonne schimmernde Städte aus Marmor, über denen sich mächtige Sarazenenburgen erhoben.
    Brigid stützte ihn geistesgegenwärtig und mit erstaunlich starker Hand, sonst wäre er vom Pferd gefallen. Sie ließ Vagabundus wieder Schritt gehen und sagte lachend: »Träumen ist eigentlich ja keine schlechte Sache, Konrad. Aber alles zu seiner Zeit.«
    Nun bat sie Konrad abzusitzen und redete ihm gut zu, bis er seine Scheu überwand und es wagte, Vagabundus durch die Mähne zu streichen und ihm Kopf und Hals zu tätscheln. Anschließend musste Konrad etwas Grünzeug vom Boden rupfen und es Vagabundus hinhalten. Er fürchtete sich vor dem großen Gebiss des Pferdes. Aber als Brigid ihm gezeigt hatte, Vagabundus die Hand ganz flach, mit geschlossenen Fingern hinzuhalten, wagte Konrad es doch. Als die dicken, weichen Pferdelippen über seine Handfläche strichen, musste er lachen. Es kitzelte.
    Dann ließ Brigid ihn wieder aufsitzen. Erneut führte sie ihn im Kreis herum, erst Schritt, dann Trab, so dass er sich auf dem Rücken des Pferdes immer sicherer fühlte. Irgendwann, als Konrads Hinterteil bereits zu schmerzen begann, sagte sie: »Jetzt haben sich Ross, Reiter und auch ich eine Pause verdient.«
    Brigid war lange neben ihnen hergelaufen, Vagabundus locker am Zügel führend. Jetzt war sie außer Atem, ihre Stirn schweißbedeckt. Aber Konrad war tief beeindruckt, wie lange sie durchgehalten hatte. Er fand es ganz und gar erstaunlich, dass eine Frau über eine solche Ausdauer verfügen konnte. Er selbst, das wusste er nur zu gut, hätte schon nach weniger als der Hälfte der Zeit schlappgemacht.
    Sie ließen Vagabundus in der Senke trinken und banden ihn an einen großen Haselnussstrauch. Dann stillten sie ihren eigenen Durst mit dem frischen, kühlen Wasser und setzten sich auf einen Felsen, neben dem der Bach leise flüsterte. Brigid plauderte vergnügt über alle möglichen, eigentlich belanglosen Dinge: Schau, der kleine Vogel, sieh, wie die jungen Fische durchs Wasser huschen, und die Buschwindröschen dort neben dem Haselnussstrauch sehen aus wie vom Himmel gefallenen Sterne!
    In ihrer Begabung, sich dankbar über einfache Dinge zu freuen, erinnerte sie ihn an Matthäus. Nie hätte Konrad gedacht, dass Frauen solche angenehmen Wesenszüge haben konnten! War es am Ende möglich, dass man mit ihnen befreundet sein konnte wie mit einem Mönch? Aber da war immer noch ihre beunruhigende Andersartigkeit – die Wölbung des Busens, die wiegenden Hüften, die weiche, seltsam betörende Süße ihrer Stimme.
    Sie nahm einem Lederbeutel von ihrem Gürtel und schüttete Konrad eine gute Portion Haselnüsse und getrocknete Waldbeeren in die Hand. Konrad, der plötzlich merkte, wie hungrig er war, kam diese einfache Speise vor wie ein Festmahl, zugleich war das Essen eine willkommene Ablenkung. Er bedankte sich und kaute mit großem Appetit.
    Noch immer zog über ihnen der Milan seine Bahn und beäugte sie. Konrad erinnerte sich, was Brigid vorhin gesagt hatte. Er verspürte den Wunsch, sie von falschem, sündhaftem Denken abzubringen. »Dass der Wald zu uns spricht, solltest du nicht denken«, begann er vorsichtig. »Das ist sündig. Nur Gott selbst kann zu uns sprechen, unser Herr Jesus Christus, oder die Engel des Herrn. Wenn du auf andere Botschaften hörst, gefährdest du damit dein Seelenheil. Du öffnest dich für unheilbringende dämonische Einflüsse. Nur wenn wir zu Gott oder den Heiligen beten, empfangen wir wirklich segensreiche Botschaften.«
    Brigid lächelte. »Danke, dass du dich um mein Seelenheil sorgst, Konrad. Das weiß ich wirklich zu schätzen. Aber schau dich gut um. Betrachte die Wälder, die weiten Auen des Flusstals! Dieses Land war schon da, lange bevor die ersten

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