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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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Knochen weh. Aber er war nun mit Vagabundus auf eine Weise vertraut, die er noch am Morgen für unmöglich gehalten hätte. Seine Angst vor dem Pferd war vollkommen verschwunden. Brigid hatte ihm vermittelt, wie wichtig es war, mit dem Tier Freundschaft zu schließen und es nicht als vierbeinigen Arbeitssklaven zu betrachten. Sie hatte Konrad gezeigt, wie er das Band der Freundschaft festigen konnte, indem er Vagabundus mit der Hand fütterte, ihm gut zuredete, ihn streichelte und striegelte, und woran er merken konnte, dass Vagabundus müde war und sich ausruhen musste, Durst oder Hunger hatte.
    Zum Schluss banden sie das Pferd an und sprachen noch einmal alles Wissen durch, das Brigid Konrad vermittelt hatte. Sie lächelte anerkennend. »Mehr kann ich dir in dieser kurzen Zeit nicht beibringen, doch ich denke, alles Weitere wird dich die Erfahrung lehren. Jedenfalls kannst du jetzt erhobenen Hauptes auf Vagabundus zur Burg reiten, und niemand wird dich mehr auslachen.«
    »Kommst du denn nicht mit zurück?«, fragte Konrad. Ihm fiel auf, dass er Brigid schon seit einiger Zeit duzte, was ihm seltsam natürlich vorkam.
    Sie schüttelte den Kopf und zeigte auf einen Stoffbeutel, der zusammengefaltet an ihrem Gürtel hing. »Ich gehe noch in den Wald, Kräuter sammeln.«
    »Allein? Und das jetzt, wo es schon bald dunkel wird?«
    »Bei manchen Kräutern ist die Heilkraft am stärksten, wenn sie zur Zeit des Sonnenuntergangs geschnitten werden, andere dagegen werden am besten am frühen Morgen gesammelt.«
    Dass eine Frau allein in den Wald ging, schien Konrad unverantwortlich. »Ich könnte dich begleiten.«
    Sie lächelte. »Ein anderes Mal gern. Aber manchmal ist es besser, wenn ich allein gehe. Dann kann ich mich genauer auf das konzentrieren, was die Kräuter mir sagen.«
    »Auf der Hinreise sind wir von Räubern überfallen worden. Und was ist mit wilden Tieren? Es gibt in den Wäldern schreckliche Wölfe und Bären … Wäre es nicht besser, ein paar bewaffnete Soldaten von der Burg als Eskorte mitzunehmen?«
    Brigid winkte lachend ab. »Ich habe im Wald keine Angst. Ich fühle mich dort zu Hause, weißt du? Außerdem …« – ein sonderbares Funkeln erschien in ihren Augen – »weiß ich mich zu wehren.«
    Alles ging blitzschnell. Sie sprang ihn mit gewaltiger Wucht an, wie eine rasende Wölfin. Die Klinge eines Messers blitzte auf, das sie offenbar die ganze Zeit unter ihrem weiten grünen Hemd getragen hatte. Ehe Konrad sich versah, lag er rücklings im Gras. Brigid drückte ihn kraftvoll zu Boden und hielt ihm das Messer an die Kehle. Er war so überrumpelt, dass ihm fast die Sinne schwanden. Das Herz schlug ihm bis zum Hals.
    Brigid ließ von ihm ab, stand auf und schob das Messer in die Scheide zurück. Ihr schönes Gesicht, das für einen Moment hart wie Stein gewirkt hatte, war jetzt wieder freundlich. »Siehst du, Konrad? Du brauchst keine Angst um mich zu haben, wenn ich allein in den Wald gehe.«
    Sie streckte ihm die Hand entgegen und half ihm auf. »Was das Kämpfen und den Umgang mit Waffen angeht, hast du keinerlei Erfahrung, nicht wahr?«
    Konrad nickte, immer noch ziemlich verdattert. »So etwas haben wir im Kloster nicht gelernt. Anselm von Berg ist bei uns der Einzige, der ein Schwert trägt. Aber er geht ja nun fort.«
    »Wie du siehst, braucht man weder ein Schwert noch die Körperkräfte eines mächtigen Ritters, um sich wirkungsvoll zu verteidigen. Das geht auch mit einem kleinen Messer, das du unter deiner Kleidung verstecken kannst. Ich muss jetzt los, sonst wird es zu dunkel. Wir sehen uns später.« Damit wandte sie sich ab und ging mit langen, energischen Schritten davon.
    Konrad schaute ihr gebannt nach, bis sie im Wald verschwand. Dass Frauen so sein konnten, hatte ihm im Kloster niemand gesagt! Konrad fühlte sich von einer seltsamen, vibrierenden Energie erfüllt. Es war, als öffnete sich vor ihm ein neuer Horizont, während die vertraute Welt, die hinter ihm lag, allmählich verblasste wie ein Traum, wenn der Morgen anbricht.
    Er band Vagabundus los, tätschelte ihm den Hals und schwang sich in den Sattel. Das gelang ihm mit einer Sicherheit und Leichtigkeit, die ihm Stunden zuvor noch vollkommen unmöglich erschienen wären. Eine tiefe Dankbarkeit gegenüber Brigid durchströmte ihn. Die junge Herrin der Wolkenburg hatte ihm den Weg in eine neue Welt eröffnet. Konrad genoss es, hoch zu Pferd den Hang hinunterzureiten. Weit und schön lag das Flusstal vor ihm. »Ich glaube, wir

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