Der Mönch und die Jüdin
sein Blick unvermeidlich zu Brigid hinüber, wobei er krampfhaft versuchte, sich das nicht anmerken zu lassen – schon aus Angst, er könnte den grimmigen Ritter Rainald verärgern. Brigids Hände waren viel zarter und kleiner als seine eigenen, das war ihm schon während des Reitunterrichts aufgefallen. Man konnte also Frauen bereits an ihren Händen erkennen, sie waren weicher geformt und wirkten empfindsamer als Männerhände. Wenn Gott Frauen als minderwertige, charakterschwache Wesen erschaffen hatte, wieso hatte er ihnen dann so zarte, schöne Hände geschenkt? Und wenn Frauen nur dann zu edler Gesinnung fanden, wenn sie der Welt entsagten und ins Kloster gingen, wieso erschien ihm dann Brigid so edel und geradezu bewundernswert? Er empfand eine tiefe Dankbarkeit dafür, dass sie ihm die Angst vor den Pferden genommen hatte. Anselm hätte das nie auf so empfindsame Weise geschafft.
Konrad musste sich eingestehen, dass er sie liebgewonnen hatte, dass er Zuneigung zu ihr gefasst hatte, und das beunruhigte ihn sehr. Auch für Matthäus empfand er tiefe Zuneigung, aber das war etwas anderes. Konnte Zuneigung zu einer Frau unschuldig sein, frei vom Schatten der Sünde?
Und es gab noch mehr, was ihn beunruhigte: Da war eine seltsame Vertrautheit zwischen Brigid und ihm. Ihr Lächeln und vor allem der Klang ihrer Stimme lösten tief in ihm etwas aus, das er sich nicht erklären konnte. Waren sie etwa einander schon einmal begegnet? Wenn ja, dann musste es in jener dunklen, nebelhaften Zeit vor seiner Ankunft im Kloster geschehen sein. Brigid war nur zwei Jahre älter als er, was hieß, dass sie beide damals noch Kinder gewesen sein mussten.
Konrad wurde aus seiner Grübelei aufgeschreckt, als Rainald plötzlich laut in die Hände klatschte. »Diener! Tragt die Tafel hinaus! Da heute keine Musikanten unter uns sind, wollen wir uns mit freundschaftlichen Gesprächen am Kamin den Abend verschönern.«
In der großen Feuerstelle prasselten helle, heiße Flammen. Man stellte die Stühle im Halbkreis darum auf, und Rainalds Knappe füllte allen die Becher mit Met. Da die Frühlingswärme von draußen nicht in die Burg hineindrang, war Konrad froh, näher ans Feuer rücken zu können. Burgen schienen noch kältere Orte zu sein als Klöster. Vermutlich krallte sich die Winterkälte das ganze Jahr über in den mächtigen Mauern fest.
Zu Konrads Beunruhigung richtete Brigid es so ein, dass sie unmittelbar links neben ihm saß. Wie verwirrend die Nähe einer Frau sein konnte! Konrad ahnte, dass es eine weise Einrichtung war, Mönchen und anderen Geistlichen Keuschheit aufzuerlegen. Wie sollte man sich auf Gebet und Andacht konzentrieren, wenn sich ein solches Wesen in der Nähe aufhielt? Brigids Brüste zeichneten sich unter ihrem Kleid ab, und auf ihrem langen Haar und in ihren geheimnisvollen Augen schimmerte der Feuerschein des Kamins.
Schnell wandte Konrad sich ab und starrte in die tanzenden Flammen. Doch wie immer bekam er Angst, das Feuer könnte die schrecklichen Traumbilder wieder in ihm wachrufen. Er schaute hinüber zu Anselm, der sich angeregt mit Rainald unterhielt.
Erst jetzt bemerkte Konrad, dass sich Gilbert auf den freien Stuhl rechts von ihm gesetzt hatte. Der neue Abt lächelte ihn freundlich an und sagte: »Wie ich höre, habt Ihr heute eine schwierige Lektion gemeistert. Wir werden also gemeinsam nach Köln reiten können. Darüber freue ich mich.«
Ohne lange nachzudenken erwiderte Konrad: »Ich hätte es nicht geschafft, wenn ich nicht eine so … so ausgezeichnete Lehrmeisterin gehabt hätte.« Er war selbst überrascht, dass er so etwas sagte, und hoffte, dass im Dämmerschein des Feuers niemand sein Erröten bemerkte.
Die Burgherrin lächelte, hob ihren Becher und prostete ihm und Gilbert zu. Dann schaute sie still, mit einem schwer zu deutenden Blick ins Feuer. Konrad fragte sich, ob alle Frauen so rätselhaft ins Leere schauen konnten. Ihm kam in den Sinn, dass Anselm auf der Reise zur Wolkenburg erwähnt hatte, er hätte eine von Gilberts Schriften gelesen – eine Schrift, die sich mit der Liebe von Mann und Frau befasste. Vertrat Gilbert tatsächlich die Ansicht, diese Liebe sei gut und unschuldig? Im Kloster hatte man Konrad gelehrt, dass nur die Liebe des Menschen zu Gott frei von Sünde sein konnte.
So wie damals, als er Anselm im Abthaus besucht hatte, spürte er, wie sich in ihm eine Frage formte, die er ganz einfach stellen musste. Er schluckte, räusperte sich und sagte zu
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