Der Mönch und die Jüdin
materiellen, sinnlichen Schönheit zu dienen, indem ich mit ihr handele, ist meine Philosophie. Ich habe gestern Abend gesehen, wie sehr Ihr das Essen genießt, Hannah. Ich würde Euch lehren, auch Schmuck und andere edle Kostbarkeiten zu schätzen. Ich würde Euch die Wunder zeigen, die der Mensch mit seinen Händen zu schaffen vermag.« Er lächelte auf eine, wie Hannah sich widerwillig eingestand, sehr einnehmende Weise, und fuhr fort: »Ihr würdet die Kunsthandwerke kennenlernen, deren Erzeugnisse das Leben der Menschen verschönern, und lernen, als Kauffrau den Wert dieser Waren richtig einzuschätzen, so dass Ihr erfolgreich mit ihnen handeln könnt.«
Er hatte wirklich eine Art, einem die Dinge schmackhaft zu machen! Die Vision, die er vor Hannah ausbreitete, war verlockend, sehr verlockend. Für einen Moment sah sie sich an seiner Seite als erfolgreiche Kauffrau, in feine Pelze gehüllt, mit kostbarem Schmuck behängt.
Hannahs Verstand flehte sie an: Sage ja, um alles in der Welt! Ein solches Angebot kannst du nicht ausschlagen. Wer weiß, ob dir je wieder eine solche Gelegenheit zuteil wird. Du würdest Ruth und – das war am allerwichtigsten – Joseph glücklich machen. Es gibt tausend gute Gründe, ja zu sagen. Zögere nicht!
Aber ihr Herz blieb ungerührt. Es pochte nicht, es jubelte nicht. Für einen Moment schloss sie die Augen, auch wenn Salomon das als unhöflich empfinden mochte. Der Traum der vorigen Nacht wurde vor ihrem inneren Auge wieder lebendig, der Mann, den sie noch nicht kannte, dessen Antlitz ihr noch nicht enthüllt worden war, ritt neben ihr. Zugleich spürte sie, dass Joseph Salomon richtig einschätzte, dass er ein zutiefst anständiger Mann war.
Sie legte den Schmetterling auf den Tisch und schob ihn zu Salomon zurück. »Es tut mir leid, ehrenwerter Salomon ben Isaak. Ich kann dieses Geschenk nicht behalten. Wenn ich es annehmen würde, würde ich damit Erwartungen in Euch wecken, die ich nicht zu erfüllen vermag.«
Er schob ihr die funkelnde Brosche wieder zu. »Ich bitte Euch, keine voreilige Entscheidung zu treffen. Diese Sache ist mir jetzt, wo ich die Ehre hatte, Euch und Euren Herrn Vater persönlich kennenzulernen, wichtiger denn je. Ich werde daher noch einige Tage in Köln bleiben. Ich wohne aber nicht mehr bei Eurem Onkel, der, offen gesagt, kein Mann nach meinem Geschmack ist, sondern in der Herberge des Shimon ben Meir neben der Synagoge. Dort werde ich auf Eure Entscheidung warten. Natürlich hoffe ich auf ein Ja. Lasst Ihr mir aber den Schmetterling zurückbringen, verspreche ich, dass ich unverzüglich nach Speyer zurückreisen werde, ohne Euch ein weiteres Mal zu behelligen.«
Ehe Hannah noch etwas darauf antworten konnte, verneigte er sich und ging rasch hinaus. Seufzend starrte sie auf die Brosche, deren sanft schimmernde, zarte Schönheit etwas geradezu Magisches hatte. Schließlich nahm sie das Schmuckstück doch an sich, stand auf und ging hinüber in ihre Kammer. Hier war sie ungestört. Sie legte sich auf ihr Bett, um über Salomons Angebt nachzudenken.
Zu ihrer Verblüffung waren die Bretter abgenommen, die den Einstieg in die geheime Höhle verdeckten. »Rebekka?«, flüsterte Hannah. »Du hast doch wohl nicht gelauscht?«
In der Höhle raschelte es, jemand kroch aus der Dunkelheit heran, und dann erschien ein weißhaariger Kopf. »Vater?« Hannah war fassungslos. Als er ächzend seinen Rücken streckte und sich den Staub von der Jacke klopfte, konnte sich Hannah ein Lachen nicht verkneifen.
»Verrate es bitte weder Rebekka noch deiner Mutter, aber ich musste einfach wissen, wie das Gespräch verläuft! Schließlich geht es um deine Zukunft, schönste aller Töchter!«
Hannah senkte den Blick. »Ach, Vater, so schön bin ich doch gar nicht. Schaut Euch meine Hüften an! Sie sind schon fast so dick wie Ruths.«
Joseph winkte beruhigend mit den Händen. »Du weißt, dass das nicht stimmt! Alle werden deinen zukünftigen Mann beneiden und sagen, dass seine Frau strahlend schön ist wie eine Königin.«
»Aber dieser Mann wird nicht Salomon ben Isaak heißen.«
Ihr Vater wiegte den Kopf. »Salomon ist ein wirklicher Ehrenmann, aber auch ein schlauer Fuchs. Diese Brosche, die er dir gegeben hat, wird immer wieder deine Gedanken auf ihn ziehen. Ob du willst oder nicht, du wirst intensiv über sein Angebot nachdenken.«
»Ich habe mich aber doch längst entschieden! Ich will meinem Herzen folgen.«
»Wenn etwas eine so weitreichende Konsequenz
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