Der Mörder aus dem Schauerwald
zur
Bushalte-Stelle, werde ich dich überfahren. Du stirbst. Und der Fahrer begeht
Unfallflucht.
Würde sich die Polizei wegen eines
Häftlings ein Bein ausreißen? überlegte er.
Wonach sollte sie suchen?
Nach einem alten, unauffälligen Wagen,
den es eigentlich nicht mehr gibt?
Nach einem Wagen mit Duisburger
Nummernschildern?
Die, dachte Röder, werde ich wegwerfen
— gleich nach der Tat.
Er ging in die Diele, hob die Schilder
auf, öffnete die Haustür und vergewisserte sich, daß niemand auf der Straße
war.
Er schlüpfte in die Garage, schloß das
Tor hinter sich und machte Licht.
Die Garage war seitlich ans Haus
angebaut.
An der Rückseite wies ein kleines
Fenster zum Garten.
An der staubblinden Scheibe vergilbte
eine Gardine.
Röder nahm den Schraubenzieher, den er
noch immer in der Manteltasche hatte, und begann, die Kfz-Kennzeichen an das
Coupé anzuschrauben.
*
Tim spürte seinen Freund hinter sich.
Aber Karl schlich lautlos.
Nur wenn er schnüffelte, war er zu
hören.
Der Schnupfen, der sich zur Zeit in der
Schule ausbreitete, hatte auch ihn befallen.
Tim merkte nichts, konnte sich gar
nicht erinnern an seine letzte Erkältung. Daß er sich rund ums Jahr mit viel
Sport und kaltem Wasser abhärtete, bewährte sich in Zeiten erhöhter
Ansteckungsgefahr.
Tim pirschte voran.
Sie waren in den Nachbargarten
eingedrungen, wo jetzt der Tanzlehrer wohnte, waren über den Zaun gestiegen und
nun auf dem Weg zu Röders Rückfront.
Mattes Lampenlicht schwebte — scheinbar
zögernd — durch zwei Fenster und die Terrassentür bis weit in den dunklen
Garten hinaus.
Tim verharrte neben einem Strauch.
Röder hatte weder Gardinen noch
Vorhänge.
„Ist das eine Bude!“ flüsterte Karl auf
der anderen Seite des Strauchs.
„Typischer Saustall eines Typs, der
sich hängen läßt“, erwiderte Tim.
Damit war gesagt, was sich über Röders
Wohnbereich mitteilen ließ.
Zwischen alten Möbeln und
zerschlissenen Polstern herrschte heillose Unordnung.
Trotzdem — Tims Adlerblick entdeckte
die Tränengas-Pistole.
Aha! Also hatte er sich nicht getäuscht
vorhin. Röder schwitzte Angst, befürchtete wohl, Flühter könne herkommen.
„Ich sehe ihn nicht“, wisperte Karl. „Wo
ist er?“
In diesem Moment trat Röder von links
ins Blickfeld.
Er war noch im Mantel, wirkte gehetzt
und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn.
Tim studierte das Gesicht.
Ein völlig kaputter Typ. Guido hatte
recht mit seiner Beschreibung. Dem seltsamen Witwer sprang der Irrsinn
tatsächlich aus dem Blick.
Jetzt rannte Röder in die Diele.
Tim konnte sehen, daß er was aufhob,
erkannte aber nicht, worum es sich handelte.
Röder kam nicht zurück.
„Ich kann die Haustür nicht sehen“,
sagte Tim halblaut. „Ist der raus aus dem Haus oder...“
Er sprach nicht weiter.
Links, wo sich die Garage in der
Dunkelheit duckte, flammte Licht auf hinter einem kleinen Fenster.
Als Tim und Karl dort je ein Auge
riskierten, legte Röder zwei Kfz-Kennzeichen auf den Kofferraum eines alten
Fiat-Coupés.
Sieh einer an! dachte Tim. Duisburger
Nummernschilder. Geklaut, natürlich! Damit macht er die alte Karre straßenfein.
Was hat er denn vor mit seinem Zweitwagen?
Karl machte ts-ts-ts — aber leise.
Eine Weile sahen sie Röder zu.
Dann stieß Tim seinen Freund an — zum
Zeichen des Rückzugs. Es hatte zu schneien begonnen, ziemlich heftig sogar. Der
Schnee würde ihre Spuren zudecken.
Die Jungs liefen zurück.
Gaby, Klößchen und Oskar warteten bei
der Telefonzelle.
für mich“, schloß Tim seinen Bericht, „ist
die Sache glasklar: Röder plant Mord. Röder will Flühter überfahren — und dann
flüchten. Um eventuelle Augenzeugen zu täuschen, benutzt er gestohlene
Nummernschilder. Vielleicht sind’s auch gefälschte. Aber sie sahen sehr echt
aus. Und schließlich kann man Nummernschilder auf jedem Parkplatz und in jedem
Parkhaus abmontieren, wenn gerade keiner hinguckt.“ Gaby schauderte und zog die
Schultern hoch.
„Also deshalb“, meinte sie, „hat er
sich bereit erklärt zu dem Treffen mit Flühter. Wahnsinn!“
„Und was beweist das?“ Tim preßte die
Lippen zusammen und dachte nach.
„Es beweist“, rief Klößchen, „daß
Flühter unschuldig ist. Röder befürchtet, daß die Wahrheit ans Licht kommt.
Deshalb will er seinen Feind umbringen.“
„Auf den ersten Blick“, sagte Tim, „sieht
es so aus. Aber wenn man weiterdenkt, muß man als Tatsache festhalten: Es
beweist nur, daß
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