Der Mörder aus dem Schauerwald
Röder vor Flühter Angst hat — und ihn deshalb beseitigen will.
Oder daß Röder seinen Feind Flühter abgrundtief haßt. Krake Röder verzichtet
darauf, die Polizei zu verständigen. Er will selbst handeln. Ein schlagender
Beweis für Flühters Unschuld ist das nicht.“
„Was machen wir?“ fragte Karl.
„Flühter ist im Zugzwang. Also wir. Da
Flühter fiebernd im Bett liegt, besteht keine Gefahr. Heute geht nichts mehr.
Willi und ich müssen ins Internat zurück. Morgen werden wir eine Falle
aufbauen, in die Röder dann reintappt. Sobald er am Haken zappelt, können wir
ihn in aller Freundschaft befragen.“
16. Der echte Flühter ruft an
Endlich war er fertig.
Röder schob den linken Daumen in den
Mund und lutschte das Blut ab.
Verletzt hatte er sich, der Witwer,
beim Anbringen der Nummernschilder.
Der Schraubenzieher war abgeglitten auf
dem Blech.
Jetzt klaffte ein tiefer Riß in der
Haut.
Egal! Bin ja nicht aus Zucker, dachte
Röder.
Er ruckelte an beiden Kennzeichen.
Sie saßen fest.
Er legte den Schraubenzieher weg,
verließ die Garage, schloß ab und ging ins Haus zurück.
Als er in der Diele den Mantel auszog,
schoß es ihm wie ein Blitzstrahl durchs Gehirn.
Die Erinnerung war da.
Jetzt wußte er wieder, wo er das
Luftbild versteckt hatte — vor wievielen Jahren?
Um Himmels willen! Verflucht!
Für einen Moment wurde ihm übel.
Fast fünf Jahre war es her, seit er,
Röder, das Foto zum letzten Mal betrachtet hatte — voller Haß. Seitdem befand
es sich in seinem Versteck.
In dem Queen Anne Kneehole Desk von
1710, der Christine gehört hatte.
Aber, dachte Röder, den hat der
Gerichtsvollzieher mitgenommen. Am Montag.
Röder überlegte.
Selbstverständlich hatte er den
Schreibsekretär leer geräumt, bevor er ab transportiert wurde.
Der Inhalt — hauptsächlich Christines
Sachen — befand sich ausnahmslos in einer Bücherkiste.
Die stand im Keller.
Röder rannte die steilen Stufen
hinunter.
Auf der sechsten stolperte er.
Die restlichen schaffte er mit einem
unfreiwilligen Luftsprung, aus dem auch ein Sturz hätte werden können.
Im Hobbyraum durchwühlte der Witwer die
Kiste.
Nichts. Kein Luftbild.
Er kippte den gesamten Inhalt auf den
Boden und sortierte Blatt für Blatt, Brief um Brief, Schnellhefter für
Schnellhefter.
Die Finger zitterten.
Die Wunde am Daumen blutete wieder.
Erneut trat der Angstschweiß aus allen
Poren.
Nach dem zweiten Durchgang hielt Röder
inne.
Entmutigt setzte er sich auf eine
andere Kiste.
Kein Luftbild war da.
Er erinnerte sich: Die Fächer und
Schubladen des alten Möbels hatten sich im Laufe von fast 300 Jahren verzogen.
Holz arbeitet bekanntlich, trocknet
aus, quillt.
Jedenfalls gab es Spalten und
Zwischenräume an dem Desk; und mehr als einmal hatten Christine oder er, Röder,
einen Brief oder ein Formular im Desk gesucht und nicht gefunden. Wobei sich
später dann rausstellte: Das Gesuchte war in eine der Spalten gerutscht.
Ihn schauderte.
Es gab keinen Zweifel: Das Luftbild
befand sich noch in dem Desk.
Und der wurde demnächst versteigert!
Röder röchelte eine Weile mit
geöffnetem Mund, stand dann auf, schleppte sich die Treppe hinauf und sank im
Wohnraum auf die Couch.
Vor den Fenstern wirbelten
Schneeflocken. Röder knirschte mit den Zähnen. Er mußte das Foto an sich
bringen. Sonst konnte Schlimmstes passieren.
Aber wie?
Drei Möglichkeiten, überlegte er, habe
ich. Entweder ich bezahle meine Schulden — und kriege den Desk zurück. Es sind
Schulden beim Kaufmann, wo ich anschreiben lasse, beim Krankenhaus, wo ich die
Privatbehandlung hatte, bei der Kfz-Werkstatt, als der Opel streikte. Bezahlen?
Unmöglich! Wovon denn?
Zweite Möglichkeit: Ich nehme an der
Auktion ( Versteigerung ) teil und ersteigere mein eigenes Möbelstück.
Ersteigern? Unmöglich! Wovon denn? Dann könnte ich ja gleich meine Schulden
bezahlen. Das käme sogar billiger.
Dritte Möglichkeit: Ich hole mir den
Desk zurück, indem ich in die Pfandkammer einbreche, wo das Möbel jetzt steht.
Nein, zurückholen ist gar nicht nötig. Es genügt, wenn ich den Lagerraum
heimlich betrete und den Desk untersuche. Will ja nur das Foto, sonst nichts.
Röder wußte Bescheid, wußte, wo sich
die Pfandkammer — also der Lagerraum — und das Versteigerungslokal des
zuständigen Amtsgerichtes befanden: in der Schrägwegstraße Nr. 72 — einem
weitläufigen Industrie-Gebäude.
Ja, dachte er. So geht’s. Ich breche
ein, hole mir das Foto und habe eine
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