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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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habe zwar keine alten Bekanntschaften, dafür aber einen beachtlichen Geruchssinn. Sie sollten es unterlassen, Ihre Kleidung in Ihren alten Pappkoffern aufzubewahren. Sie riechen aufdringlich nach Gefängnis.«
    »Von mir aus«, räumte Monsieur Fondère ein. »Nehmen wir also einmal an, wir kommen beide aus dem gleichen Stall.«
    »Was beweist«, sagte der Kapitän dumpf, »dass Verbrechen sich nicht auszahlen.«
    »Davon kann ich ein Lied singen«, seufzte der Morchelsammler. »Mir bleibt heute kaum was zum Leben übrig! Und dann muss ich es auch noch hier verbringen! Aber, wer weiß? Vielleicht haben wir es ja nur falsch angepackt? Wer weiß, ob heute bei unserer Erfahrung und Reife …«
    Der Kapitän lachte in der Dunkelheit hämisch und schüttelte seinen Kopf, der aussah wie der eines alten pergamentenen Toten, von dem die Haut nicht gewagt hatte abzufallen.
    »Sie sind ganz schön jung geblieben, Monsieur Fondère … Aber, sagen Sie mal, ich habe nicht genau verstanden, wie Sie die Liebe zu Gott – Sie waren doch Seminarist, glaube ich? – gegen die Liebe zum Geld eintauschen konnten.«
    »Das Spiel, Monsieur, das Spiel! Diese Karten mit ihren beiden Köpfen, diese roten und schwarzen Mysterien haben mich schon immer fasziniert. Zuerst habe ich einen großen Bauernhof an der Isère, im Grésivaudan, verloren, den mein Vater geerbt hatte. Die Geschichte ist schnell erzählt: Meine Mutter war eine Bayard … Ebenso habe ich innerhalb von drei Jahren eine florierende, dreihundert Jahre alte Schreibwarenhandlung, dort unten, in Pontcharra-sur-Bréda verspielt … Ich bin vor den Schultoren gelandet. Ja, Monsieur! So wie ich vor Ihnen stehe, bin ich von einem Gymnasium zum anderen gezogen!«
    Der Kapitän deutete einen leichten Schritt zurück an, wie jemand, der zutiefst schockiert ist.
    »Aber nein! Aber nein!«, rief Fondère aus. »Was denken Sie denn? Mein Job waren die Drogen. Monsieur, meine Vergangenheit ist voller flehender und trauernder Mütter auf Knien! Koks, Heroin, Haschisch, halluzinogene Pilze! – Meine Spezialität! – Ich habe sie zwischen den Schwellen der Eisenbahnschienen gesammelt!«
    Er stieß einen tiefen Seufzer aus.
    »Was für ein Dasein! Ich habe jeden Tag das Gymnasium gewechselt, jeden Sonntag das Département. Ich bin nachts mit der Angst im Nacken auf die vorbeifahrenden Züge aufgesprungen …«
    »Damit bringen Sie mich nur zum Lachen, mein armer Fondère, mit Ihren Schultoren!«, stieß der Kapitän aus, der sich schon kaum mehr hatte zurückhalten können. »Mich, der ich hier – wie durch ein Wunder – hier neben Ihnen in Barles stehe! Die Füße fest auf dieser Scheiß- … nun ja, auf dieser Erde!«
    Er stampfte mit dem Absatz auf, um sich davon zu überzeugen, dass sie auch immer noch da war, fest, kompakt und real.
    »Monsieur, ich war der rettende Engel für all die naiven Unternehmer, die sich in äußerster Bedrängnis befanden, nur ich allein konnte sie retten. Gegenüber ihren Versicherungsgesellschaften hielten sie sich für Ganoven schweren Kalibers. Die armen Kleinen! Ach, was erzähle ich Ihnen! Ich habe ungefähr dreißig Schiffe untergehen lassen, die schon fünfzehn Mal neu angestrichen waren! Die nur noch durch den Rost zusammengehalten wurden … Schiffe, Monsieur, die im Sterben lagen! In deren Kielraum schon sechshundert Kubikmeter Meerwasser geflossen waren, kaum dass wir die Hafenmole passiert hatten. Und bei jedem Wellenstoß, wenn die Wassermenge zurückschwappte, wich auch das Schiff zurück, wie ein widerspenstiges Pferd …«
    »Und wahrscheinlich mit einer Ladung unbehauener Steine?«, fragte Fondère, um ganz sicherzugehen.
    »Ganz genau! Die konkurrierenden Nationen begannen, es uns nachzumachen. Wir exportierten eine Menge von Faksimiles von unseren dörflichen Kriegerdenkmälern. Sind Sie Hellseher?«
    »Das verstand sich ganz von selbst …«, grinste Fondère hämisch.
    »Stellen Sie sich das doch einmal vor! Dreihundert Kriegerdenkmäler, die ein durchlöchertes Schiff auf den Grund ziehen! Und ich darun ter, Herr einer Mannschaft, die mit Schnaps aus den Kneipen weggelockt worden war … Zur Eingewöhnung habe ich mit Winden der Stärke Neun ange fangen, die vielleicht noch stärker werden konnten. Ich hatte Kohle oder Öl für dreihundert Seemeilen gebunkert, nicht mehr …«
    »Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert!«, kicherte Fondère.
    Combaluzier ließ aus seiner eingefallenen Brust ein Grabeslachen erklingen:

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