Der Mörder mit der schönen Handschrift
Zuchteber und eine Sau aus Chauffayer im Champsaur gekauft – da geben die Leute noch was auf sich – und werde jetzt Metzger. Aber aufgepasst! Nicht um jedem was zu verkaufen! Die, die Knochenschinken ohne Knochen wollen, können mir gestohlen bleiben!‹ – ›Aber hören Sie mal‹, sag ich, ›so werden Sie auf keinen grünen Zweig kommen! Der Ange hat es schon nicht geschafft, und der war pensioniert und hat nie den Anspruch erhoben, sich seine Kundschaft auszusuchen!‹ – Da unterbricht er mich: ›Lassen Sie das mal meine Sorge sein!‹ sagt er. ›Die Leute werden sogar aus Paris hierher kommen, wenn sie das riechen, beim Vorbeigehen im Urlaub oder auf dem Heimweg vom Skifahren!‹ Das also hat der Crépin Enjolras zu mir gesagt. Da hat er gestanden, genau da, wo sie jetzt stehen. Vor fünf oder sechs Jahren.«
»Und hat er Wort gehalten?«
»Ein bisschen schon! Er hat immer zu! Die, die sich auskennen (es kommen tatsächlich welche aus Paris), die Bescheid wissen, klopfen an die Tür. Dann kommt er heraus. Oh, er ist nicht gerade zuvorkommend! Er hat so einen mouro dé toulo, wie wir hier sagen, einen Gesichtsausdruck, der alle zurückschrecken lässt. Wenn Sie ihn unglücklicherweise nach zweihundert Gramm Regardelle in Scheiben fragen, antwortet er Ihnen nicht mal. Manchmal müssen Sie nicht mal was sagen. Er mustert Sie verächtlich und sieht Ihnen schon an, dass Sie keinen Geschmack haben. Er macht Ihnen die Tür vor der Nase zu, ohne dass Sie Zeit haben, auch nur den Mund aufzumachen!«
»Donnerwetter!«, rief Laviolette bewundernd aus.
»So ist es«, sagte die Grimaude. »Und was am seltsamsten ist: Wir sind auch noch stolz, einen solchen Metzger hier in Barles zu haben!«
Draußen klingelten die Glöckchen, die Françoises Knöchel schmückten. Sie platzte zur Tür herein.
»Puh! Ist das kalt!«, rief sie.
Es war nicht wirklich kalt, aber der Abendwind hatte sich über dem Bès erhoben und drohte noch aufzufrischen. Wirbelndes Laub tanzte Kinderreigen auf der Terrasse.
»Siehst du,« sagte die Grimaude, »er hat dich noch immer nicht vergewaltigt!«
»Lust dazu hätte er jedenfalls schon.«
»Meine arme Françoise! Also, hast du die beiden Blutwurstringe gekriegt?«
»Ich hab sogar drei, ganz frische.«
Sie öffnete das Paket aus rosafarbenem Papier, und Laviolette roch den Duft der Blutwurst, der ihm in die Nase stieg und mit dem alle wehmütigen Erinnerungen an seine Kindheit aus dem Brunnen der Vergangenheit in ihm aufstiegen. Er aß zu Abend mit dem Rauschen des Windes und berauschte sich mehr an diesen Speisen aus alter Zeit als an dem undefinierbaren Wein, den er kaum anrührte. Am Schluss brachte ihm die Grimaude in der Gewissheit, dass er nun endlich auspacken würde, eine Tasse Ysoptee, »damit es besser rutscht«, wie sie sich ausdrückte, beugte sich ganz dicht zu ihm und kam zur Sache: »Und dieses Verbrechen? Sie müssen doch was darüber wissen, oder?«
»Meine Güte! Was soll ich dazu sagen? Es ist halt ein Mord …«
Die Grimaude richtete sich wieder auf und schürzte die Lippen.
»Das hat sich ja wirklich gelohnt, dass ich Ihnen die Blutwurst von Enjolras serviert habe!«
»Regen Sie sich nur nicht auf! Ich hab keine Ahnung, aber man kann nie wissen. Ich könnte ja vielleicht mal was erfahren. Hören Sie, ich verspreche Ihnen, wenn ich eines Tages zufällig was mitkriege, dann komme ich extra hierher, um es Ihnen zu erzählen.« Er leckte seine Zigarette an. »Aber sagen Sie mir eins«, fuhr er fort, »hat es hier nicht auch einen Toten gegeben?«
»Wieso?«, rief die Grimaude beunruhigt. »Wer sollte denn hier ums Leben gekommen sein?«
»Nein? Ich frage nur, weil ich vorhin einen gesehen habe, der ein Grab schaufelte.«
Die Grimaude stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
»Haben Sie mir vielleicht einen Schrecken eingejagt! Das ist nichts. Der gräbt sein eigenes Grab.«
»Ach so!«
»Ja. Das ist der Emile Pencenat. Was soll man da machen, der hat sich das nun mal in den Kopf gesetzt.«
»Da kann man natürlich nichts machen«, stimmte Laviolette zu.
Aus der Kaminecke erklang wieder Françoises schrille Stimme: »Seine Frau ist eine Lesbe«, kreischte sie. »Deswegen gräbt er sich sein Grab!«
»Ach deshalb!«, rief Laviolette aus, als habe ihm diese Erklärung zu einer Eingebung verholfen.
Françoise schloss ihr Heft und erhob sich mit klingelndem Knöchel.
»Ja«, rief sie, »genauso ist es! Glauben Sie etwa, es ist einfach, hier zu leben? Der
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