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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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sich, ›entweder bringt ihn sein Bruder um, und wir sind ihn los. Oder aber er tötet seinen Bruder (in Notwehr), und da der noch keine Nachkommen hat, erbt alles unser Gaétan. ‹ ›Passen Sie mal auf‹, sagte sie, ›ich will mich nicht lumpen lassen. Zuerst wollen wir Hochzeit feiern.‹
    Denn eines war klar: Das Kind musste erst durch eine Heirat legitimiert werden, wenn es im Fall der Fälle etwas vom Erbe der Melliflores zu sehen bekommen sollte. Nun war aber dieser Gaétan trotz seiner Jugend kein grüner Junge mehr. ›Oh là là!‹, sagte er, ›aber … haben Sie sich denn meinen Bruder auch genau angesehen?‹ ›Natürlich hab ich das!‹, sagte sie. ›Ungefähr eine halbe Stunde! Wieso?‹, ›Hat er Ihnen zugehört? Ist er auf das Gewehr zu sprechen gekommen?‹ ›Da war so eine Anspielung … Aber wissen Sie, das sind Dinge, die man nur so dahersagt und …‹ ›Ach? Dinge, die man nur so dahersagt! Dinge, die man nur so dahersagt? Bei uns handelt man danach. Vor allem mein Bruder. Hören Sie! Ich habe schließlich eine gewisse Verantwortung! Sie wollen doch nicht, dass mein Kind als Waise aufwächst?‹
    Dabei blieb er, da war nichts zu machen. Bei den Melliflores sei das nun einmal so üblich. Da gebe es ein stillschweigendes Übereinkommen. Mit dem geltenden Recht habe das nichts zu tun. Im Übrigen habe es schon einmal so einen Fall gegeben. Schon einmal habe bei den Melliflores ein jüngerer Bruder sich nicht an diese Abmachung halten wollen, und sein Bruder habe ihm daraufhin klar gemacht, wer das Sagen hat …«
    Pardigon hielt plötzlich inne. Er schien einige Sekunden nachzudenken, dann fuhr er fort: »Ach ja, erinnern Sie mich daran, falls ich es vergessen sollte, dass ich auf diese Geschichte zurückkomme. Kurzum: Die Mutter Rosans musste natürlich einen Skandal vermeiden. Ihr Laden würde eingehen mit so wenigen Kunden! Sie musste nachgeben, aber, glauben Sie mir, sie wäre fast daran gestorben. Und letztlich ist sie wirklich daran gestorben, allerdings so langsam, dass ihr genügend Zeit blieb, um ganz Digne zu erklären, woran sie starb.«
    In diesem Augenblick bemerkte Pardigon, dass seine Pfeife nicht mehr richtig zog. Er hielt noch einmal inne. Er liebte es, wenn andere an seinen Lippen hingen, und so bediente er sich als erfahrener Schmierenkomödiant seiner Pfeife, die er ständig wieder anzündete, um die Spannung zu steigern.
    »Kurzum« (das war sein Lieblingswort): »Also, lange Zeit vor dem Tod der Mutter wurde die Hochzeit gefeiert. Mit so viel Weiß, dass man sich an einen Wintermorgen erinnert fühlte! Und natürlich trug das Mädchen einen Hut, der Reklame für die Boutique machen sollte und der die beiden Frauen mindestens einen Monat Arbeit gekostet hatte.
    Und in der Hochzeitsnacht … Da hatten sie natürlich andere Sorgen, als daran zu denken, miteinander zu schlafen. Sie brauchte ungefähr eine Viertelstunde, um ihr Korsett auszuziehen. Das zeugte von einer wahren Liebesheirat, denn die ersten Male im Pavillon war er es gewesen, der es mit ungeschickten Bewegungen aufgenestelt hatte!
    Und dann ging sie ins Schlafzimmer zurück, und da sah sie ihn mit heruntergelassenen Hosenträgern vor dem bemalten Tisch sitzen und etwas schreiben. ›Was machst du da?‹, fragte sie ihn zerstreut. ›Das siehst du doch: Ich setze meinen Kündigungsbrief auf.‹ ›Sieh mal an! Und was gedenkst du dann zu tun?‹ ›Na was schon … Im Geschäft mitarbeiten!‹
    Denn, sehen Sie, er konnte sich gut vorstellen, Pakete auszutragen, die Buchführung zu übernehmen, mit den Vertretern zu sprechen. Rechnungen auszustellen … Und wenn es nötig sein sollte, würde er selbst den beleibten Kundinnen den Hof machen, um das Geschäft am Laufen zu halten. Aber vor allem würde er über die Kasse wachen. Überlegen Sie mal! Seit ungefähr hundert Jahren haben alle Melliflores da oben in ihrem heimatlichen Barles von einer Kasse geträumt! Nicht um sie zu stehlen, Gott bewahre! Eine gestohlene Kasse bringt nur einmal, ein einziges Mal etwas ein. Eine Kasse, die man besitzt, hingegen, das ist wie ein Brunnen! Man schöpft ihn leer, und er füllt sich wieder! Und das Tag für Tag! Eine Kasse, glaubte der Melliflore, sei ein viel zu wichtiger Gegenstand, als dass man ihn den Frauen anvertrauen könne.
    Von wegen! Die kleine Rosans war keine Frau in dem Sinn, wie sich Melliflore das naiverweise vorgestellt hatte. – Ach ja! Jetzt fällt es mir wieder ein! Sie hieß Scholastique! Vielleicht

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