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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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ist!‹ ›Aber das da. das wollen wir haben!‹, sagten sie. Und sie hängten es dort unten im Pavillon auf, über dem Kamin. Ich habe es ungefähr hundertmal gesehen, sonntags, wenn ich zum Kaffee eingeladen war.«
    Laviolette seufzte und kramte in dem großen Umschlag herum, den er neben sich auf die Bank gelegt hatte, um einen der Abzüge herauszunehmen, die der Richter Chabrand hatte anfertigen lassen. Er hielt ihn Pardigon unter die Nase.
    »Ist es vielleicht das hier?«, fragte er.
    »Klar ist es das!«, rief Pardigon aus. »Das gibt’s doch nicht! Wieso interessieren Sie sich eigentlich für diesen Mann, der jetzt schon bald hundert Jahre tot ist?«
    Laviolette zuckte die Achseln. »Solange man nichts in der Hand hat, interessiert man sich für alles Mögliche.«
    »Damit haben Sie nichts in der Hand«, betonte Pardigon, »aber trotzdem … Dass Sie sich für dieses Bild interessieren … Offenbar hat der Porträtierte selbst Ihnen einen Wink gegeben!«
    Er musterte sein Gegenüber von oben bis unten, so wie er auch das Bild fünfzig Jahre lang betrachtet hatte, mit dem misstrauischen und missbilligenden Blick eines Heilpraktikers, der sein Gegenüber von der Akne befreien möchte. Er wog lange das Für und Wider ab. Er schrieb mehrere kabbalistische Zeichen mit seiner Pfeife in die Luft, um ein Bild der Vergangenheit zu beschwören, das ihm gerade durch den Kopf ging. Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder, steckte die Pfeife von neuem zwischen die Zähne, und als er schließlich wieder anfing zu sprechen, hatte Laviolette den Eindruck, er habe ihm etwas Wichtiges unterschlagen.
    »Ja, ja, diese Familie«, seufzte Pardigon. »So richtig etwas zum Abgewöhnen. Mich zumindest haben sie dazu gebracht, froh darüber zu sein, dass ich keine mehr hätte! Sie belauerten sich. Sie klauten sich gegenseitig Dinge, die sie für wertvoll hielten. Sie hatten furchtbare Geheimnisse voreinander.
    Sie verwöhnte ihn mit Hilfe ihrer Töchter zu Tode. Sie gab sich alle Mühe, ihn auf kleiner Flamme kaputt zu köcheln. Mittags und abends gute Gerichte, viel zu üppig, und dazu noch eine ständige Anstiftung zum Trinken mit Hilfe eines gut sortierten Weinkellers. Ganz nebenbei gesagt: Wenn es in einer alles andere als glücklichen Familie ständig köstlich nach Essen riecht, dann liegen Sie durchaus richtig mit der Vermutung, dass hier ein unliebsamer Ehemann aus dem Weg geräumt werden soll! Kurzum! Auch die Mädchen haben ihren Teil dazu beigetragen, mit Sticheleien, begleitet von schallendem Gelächter, auch mit anderen, höchst amüsanten Scherzen. Alles umsonst! Die Natur hat nun einmal ihre eigenen Gesetze, und so war es Scholastique, die schließlich als Erste starb. Krebs aus Habgier, aus seelischer Verkümmerung. Denn sehen Sie … Es mag ja ganz gut sein, sich nichts aus der Liebe zu machen, die einen doch nur von der Ladenkasse fern hält, aber zum Schluss rächt sich das genau an den Dingen, die dafür geschaffen wurden. Sie hat es an der Brust erwischt. Das war schon ziemlich übel! Sechs Monate lang hat sie die selbstverschuldete Sinnlosigkeit ihres kümmerlichen Lebens hundertfach abgebüßt. Es muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass Gaétan Melliflore ihr einige Jahre vorher ebenfalls einen schlimmen Streich gespielt hat, um sie schneller ins Grab zu bringen.
    Damals gab es in Digne noch einen öffentlichen Ausrufer. Der Amtsinhaber war gerade gestorben. Melliflore stellte sich freiwillig für den Posten zur Verfügung, mit dem Hinweis, als Postbote sei er die Lauferei gewöhnt. Man stellte ihn ein, obwohl sich noch zehn andere Kandidaten beworben hatten, die die Stelle eher verdient hätten. Und warum wohl? Die demoiselles Rossans, wie man sie nannte, Scholastique und ihre beiden Töchter, hatten, wegen ihrer großspurigen Art, ihres Geizes und ihres Geldes nicht nur Freunde. Gewisse Leute hatten Freude an dem Gedanken, sie ein bisschen zu triezen, wie man so schön sagt.
    Und so zog nun unser Melliflore jeden Abend, wenn er seine Runde durch die Gassen machte, diese mottenzerfressene Uniform an und spazierte als Pionier der Grande Armée durch die Stadt. Und jedes Mal, wenn er an der Villa vorbeikam, spielte er auf seinem Instrument doppelt so laut wie gewöhnlich! Zum Teufel, was für ein Instrument war das eigentlich? Ein Bügelhorn? Eine Trompete? Ein Posthorn, oder was sonst? Wie einem das Gedächtnis mitspielt! Ich erinnere mich an die kleinsten Details, aber das, das hab ich

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