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Der Mörder mit der schönen Handschrift

Der Mörder mit der schönen Handschrift

Titel: Der Mörder mit der schönen Handschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Magnan
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Verhütungsmaßnahmen!‹ ›Das mag schon sein! Aber sie hat die Scheidung eingereicht. Zugegeben, das war nicht weiter schlimm, sie hat es noch schlimmer getrieben … Aber bei mir … Bei mir geht es um etwas Ernstes, nämlich um Geld!‹ ›Um viel Geld?‹, fragte ich ihn, und meine Stimme muss wohl ein bisschen belegt geklungen haben. ›Mehr als Sie denken!‹, sagt er mit feiner Zurückhaltung. ›Gold?‹, frage ich weiter. ›Fragen Sie, so viel Sie wollen, aus mir kriegen Sie nichts raus.‹
    Ich antworte ihm, er solle sich zum Teufel scheren. Er kehrt mir den Rücken zu und will gehen. Aber ich, ich war so verärgert darüber, dass er sich mir nicht anvertraut hatte, dass ich ihm nun unbedingt sagen wollte, wie viel Zeit ihm noch zum Leben blieb. Man kann nämlich in einem solchen Fall sagen, was man will, aber selbst wenn man jemandem noch vierzig Lebensjahre verspricht, hört er das nicht gern. Wer will schon daran erinnert werden, dass es da eine Grenze gibt. ›Warte mal!‹. sag ich zu ihm. ›Du wolltest es wissen, und jetzt sollst du es erfahren: du rauchst, du trinkst, du isst Wildschweinbraten, du machst jeden Mittag ein Nickerchen. Deine Aorta dürfte genauso milchig aussehen wie die weißgestrichenen Fensterscheiben eines Friseursalons. Du bist jetzt fünfundsechzig Jahre alt? Wenn man jetzt noch deine Erbanlagen berücksichtigt, dann wirst du wohl höchstens achtzig Jahre alt werden. Klar?‹ ›Na, wer sagt’s denn!‹, antwortet er. ›Dann sind meine Enkelinnen schon älter als zwanzig. Denen könnte ich es vererben. Denn meine Töchter, das sind zwei Nutten! Die kriegen nichts! Nichts!‹, wiederholt er. ›Nichts!‹« Pardigon fuhr mit der Hand wild durch die Luft, als wolle er eine Wiese mähen.
    »Er hat also ein Testament gemacht?«, fragte Laviolette voller Hoffnung.
    »Ein Testament? Sie belieben zu scherzen! Hätten Sie Melliflore gekannt, dann würden Sie so eine Frage erst gar nicht stellen. Ach, wissen Sie, wenn er gekonnt hätte, dann hätte er seine zwei Häuser, seine vier Wiesen in Cousson auf der Sonnenseite, seinen Weinberg und sogar sein Fahrrad mit ins Grab genommen. Noch im Sterben hat er versucht, mit seinen Händen alles einzusammeln, alles mitzunehmen, alles bei sich zu haben, wie Gepäckstücke, die man immer wieder zählt, um nur ja keines zu verlieren. Und er warf ängstliche Blicke in alle Ecken des Zimmers, auf der Suche nach einer möglicherweise übersehenen Kleinigkeit! Ich weiß Bescheid, ich habe ihn sterben sehen. Mit fünfundsiebzig Jahren! Ganz plötzlich! Solange er noch die Kraft hatte zu sprechen, sagte er zu mir: ›Sie hatten doch achtzig gesagt.‹ Und ich darauf: ›Höchstens!, hab ich gesagt.‹ Als seine Töchter einmal gerade nicht die Ohren spitzten, da fragte ich ihn noch einmal halblaut nach diesem Geheimnis, von dem er gesprochen hatte. Es war mir hier stecken geblieben.« (Er machte eine Geste, als wolle er sich die Kehle durchschneiden.)
    »› Gaétan‹, sagte ich zu ihm, ›erleichtere dein Gewissen. Was ist nun mit diesem Schatz‹ ›Da können Sie warten, bis Sie schwarz werden, von mir erfahren Sie nichts!‹ ›Und deine Enkelinnen?‹ ›Die auch!‹«
    »Und woran ist er gestorben?«
    »Nichts Ernstes. Eine Lungenentzündung, kaum schlimmer als eine gewöhnliche Grippe! Aber seine Töchter, die hätten Sie sehen müssen, wie sie nach seinem Tod um seine sterblichen Überreste herumgestanden sind. Mit hochgezogenen Augenbrauen und demonstrativ zur Schau getragenem Argwohn. Und wie sie sich gegenseitig mit Blicken töteten!«
    »Man hat mir erzählt, eine von ihnen habe Harfe gespielt.«
    »Na und?«, fragte Pardigon strafend. »Glauben Sie etwa, das sei mit Geiz unvereinbar? Die Zeremonie der Erbteilung hat vier Tage gedauert. Der Notar war am Ende seiner Kräfte! Man hätte glauben können, sie hätten Schach gespielt: Zug und Gegenzug, das für mich, das für dich: ein glasierter Tontopf mit Griff, ein weiterer ohne Griff! Ein Sonnenaufgang über dem Etang de Berre, signiert von Durand, war zwei Stunden lang Gegenstand gegenseitigen und durchaus berechtigten Argwohns. Die Möbel hätten sie fast entzwei gesägt: eine Hälfte für mich, eine Hälfte für dich. Übrigens hatten sie sie gründlich durchsucht!
    Kurzum, andauernd gab es neue Hindernisse. Der Notar hat es mir erzählt. Das lief dann ungefähr so ab: ›Sekunde! Lass mich eben mal diesen Silberlöffel sehen, der angeblich der gleiche sein soll wie der, den ich

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