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Der Mörder mit der Spritze

Der Mörder mit der Spritze

Titel: Der Mörder mit der Spritze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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dann breitete sich das Grinsen über den ganzen Raum aus! Einen Augenblick
lang wunderte ich mich, wie ein Grinsen so einfach das Gesicht einer Person
verlassen konnte, vergaß aber diese Sache, als Gollums Gesicht sich vor meinen Augen auszudehnen begann, immer größer wurde, bis ich
nur noch eine riesige glänzende Pore sehen konnte, die sich, wie ich annahm, an
der Spitze seiner Nase befunden hatte.
    Und dann hörte ich ein Lachen,
ein lautes, hallendes Lachen, das zwischen den kahlen Wänden hin und her sprang
wie ein gewichtsloser Gummiball, gefolgt von einer Stimme, die aus den Tiefen
des Raums zu kommen schien.
    »Tschüs, Herr Rechtsanwalt.
Schönen Trip wünsch’ ich !«

6
     
    Meine erste Reaktion war Panik.
Es war das Gefühl, das ein Patient in einem großen Krankenhaus hat, beim Warten
in einem grell beleuchteten, kalten Raum: die letzten Minuten vor einer
entscheidenden Operation, die Heilung oder Tod bringen kann. In einer solchen
Situation kann man nur Vertrauen zu seinem Arzt haben, aber ich kam mir vor,
als wartete ich auf hundert Ärzte — und ich wußte, daß alle Quacksalber waren.
    Ich hatte keine Ahnung, was ich
geschluckt hatte. Ich nahm an, daß es LSD war. In diesem Fall würde ich den
Zustand immerhin überleben, ohne unterwegs mehr als höchstens meinen Verstand
zu verlieren. Aber wie, zum Kuckuck, sollte ich herausbekommen, was für ein
Teufelszeug sie mir wirklich gegeben hatten?
    Mein Kopf kam mir vor, als wäre
er mit einem Preßlufthammer aufgemeißelt worden, und
ich konnte in ihn hineinsehen wie durch einen beleuchteten Stollen hinab zum
Mittelpunkt der Erde, und was ich dort unten am Ende des Schachts sah, war:
Panik! Ich setzte mich von oben in Bewegung, nur ein kleines bißchen besorgt,
was wohl geschehen würde, dann begann ich zu fallen. Aber als ich den Grund
erreicht hatte, wußte ich, was es mit Sorgen eigentlich auf sich hatte.
    Ehe ich unten ankam, wanderte
ich im Raum umher, um nach einem Ausgang zu suchen. Ich ging immer wieder an
der Tür vorbei, im Kreis herum und an der offenen Tür vorbei. Ich wußte, daß
die Tür da war und daß ich einfach hindurchgehen konnte, nur daß ich nicht
hindurchgehen konnte, weil ich nicht lief — ich fiel, immer weiter hinab, dem
Zentrum der Erde zu, und: Panik!
    Ich rannte in die Richtung, in
der ich die Tür vermutete, nur stellte sich heraus, daß dies eine Täuschung
war, denn ich knallte voll gegen die Wand. Ich glaube, daß ich einmal laut
aufgeschrien habe, aber dann machte ich mir plötzlich keine Sorgen mehr. Mein
juristisch geschultes Gehirn, das irgendwo in einer anderen Dimension schwebte,
analysierte leidenschaftslos die Vorgänge beim Kopfanstoßen. Sorgfältig
untersuchte ich den Schmerz, Schicht für Schicht, wie er über meiner Stirn lag,
spürte ihn schwächer werden, sich in eine prickelnde Empfindung verwandeln, die
sich über meinen ganzen Körper ausbreitete, von jedem einzelnen Nervenende
auszugehen schien. Wenn ich mich darauf konzentrierte, konnte ich meine
Kopfschmerzen in der Spitze meines großen Fußzehs empfinden, nur daß es dort nicht wehtat. Es war nur eine Empfindung, das Bewußtsein des Schmerzes, und als ich der Struktur der
Schmerzwellen nachging, die vom Ort der Kollision zwischen Wand und Schädel
ausgingen, waren die Kopfschmerzen verschwunden, hatten sich in der Entfernung
verloren wie eine einzige kleine Welle auf einem stillen Bergsee.
    Und dann: Frieden! Ich befand
mich nicht mehr in einem Zimmer. Ich befand mich überhaupt nirgends mehr. Ich
war überall! Überall zugleich, und plötzlich lösten sich die Wände auf, der
Boden, und die Decke öffnete sich in den Himmel. Und ich konnte die Struktur
und das Wesen aller Dinge sehen — mehr noch, ich konnte sie begreifen, erfahren
auf eine Weise, die nicht Denken war, nicht Fühlen oder Empfinden, sondern
Innewerden, Verschmelzen mit der Erkenntnis.
    Ich hatte meine Welt verlassen,
und vielleicht, aber auch nur vielleicht, würde ich nicht zurückkehren, was
mich aber nicht im geringsten beunruhigte. Es war
herrlich hier draußen — ich wollte nicht zurück. Wo ich wirklich war, wo ich
früher gewesen war — als kleiner irdischer Rechtsanwalt, der hin- und herwuselte und die kostbare Zeit seines Lebens damit
verbrachte, den Spielen anderer Leute Regeln zu verpassen — , das alles war so beengend.
    Ich war jetzt jenseits aller
Illusionen, war eingetaucht in hundertprozentige Realität, und ich war wirklich
da. Ich meine, einfach richtig

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