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Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Titel: Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter May
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Nachricht. Er klickte sein E-Mail-Programm an und war mit einem Schlag hellwach, als er sah, dass er eine Mail von Kirsty im Postfach hatte.
    Er zögerte eine ganze Weile, bevor er den Mut fand, sie zu öffnen.
    Dad …
    Schon bei diesem Wort stieg ein nervöses Kribbeln in ihm auf.
    … Ich nenne dich so, obwohl ich weiß, dass du es nicht bist …
    Jetzt verstärkte sich das Kribbeln, breitete sich aus, ging in ein Gefühl der Panik über.
    … Ich kann nicht in einer E-Mail darüber schreiben. Aber ich habe euch an dem Abend bei Onkel Simon gehört. Ich weiß, dass er mein leiblicher Vater ist. Und ich muss mit dir reden. Ich kann es nicht länger für mich behalten. Aber nicht hier im Haus. Besser an einem Ort, wo wir ungestört sind. Ganz für uns. Anna ist neulich mit mir in Le Lioran mit der Seilbahn auf einen Gipfel hochgefahren. Das ist gar nicht weit von hier. Ich weiß, dass du für deine Rückfahrt morgen fast den ganzen Tag brauchen wirst. Wie wär’s also abends um neun? Da, wo der Gondeleinstieg ist. Es gibt eine Treppe seitlich am Téléphérique-Gebäude.
    An dieser Stelle konnte er förmlich ihr Zögern spüren.
    Ich liebe dich.

Kapitel zweiundfünfzig
    Bis fünf Uhr hatte er sich wach halten können, dann war er in ein seichtes Meer aus lebhaften Träumen hinübergeglitten, in dem er bis zum Morgengrauen trieb, als rings um die Gardinen der erste Lichtstreifen erschien. Kurz nach acht war er hochgeschreckt und hatte sich auf Mappy seine Route nach Norden angesehen. Ein paar Pausen eingerechnet, brauchte er über sechs Stunden bis Le Lioran, doch das Treffen mit Kirsty sollte ja erst am Abend sein. Er war bis mittags im Hotel geblieben, um den Moment, in dem Yves Labrousse wieder Jagd auf ihn machen konnte, möglichst lange hinauszuzögern.
    Doch weder vom Mörder noch von dessen schwarzem Renault Scenic war weit und breit etwas zu sehen, als Enzo in der Nähe des Palais des Congrès ein Restaurant fürs Mittagessen fand. Während er aß, war er wieder mit sich und seinen Gedanken allein, die ihn bereits die ganze letzte Nacht gequält und schließlich in seinen Träumen verfolgt hatten.
    Dass Kirsty in London das Gespräch zwischen ihm und Simon mit angehört hatte, traf ihn ins Mark. Doch zumindest erklärte es ihre Stimmung am Flughafen Stansted, als sie sich so verkrampft voneinander verabschiedet hatten. Er hatte keine Ahnung, wie er sich jetzt am besten verhalten sollte, doch sein Instinkt sagte ihm unmissverständlich, dass besser alles offen auf den Tisch kam, als in irgendeinem dunklen Winkel seines Bewusstseins wie eine Eiterbeule zu schwären und ihr Verhältnis früher oder später zu vergiften. Er wusste, dass die Enthüllung an seinen Gefühlen gegenüber Kirsty nichts änderte. Die Frage war nur, wie sie nach diesem Schock zu ihm stand. Das Einzige, woran er sich klammern konnte, war der letzte Satz ihrer E-Mail: Ich liebe dich. Drei kurze Worte, in denen unter den gegebenen Umständen so viel mehr mitschwang. Dieser Gedanke gab ihm auf der langen Fahrt Rückhalt.
    Schneeregen klatschte leise auf die Windschutzscheibe, getrieben von einem eisigen Wind, der von den Bergen herunterblies. Im Scheinwerferlicht von Enzos Wagen sahen die schweren Flocken aus wie Kometenschweife. Auf seiner sechseinhalbstündigen Fahrt aus dem Süden war die Temperatur um mehr als zwanzig Grad gefallen. Doch nun würden sie sich bald wiedersehen, und er konnte ihr sagen, dass auch er sie liebte.
    * * *
    Im Halbdunkel des Computerzimmers saß Kirsty und blickte auf ihren Desktop. Nicole hatte alle Monitore angelassen, sodass darauf die Bildschirmschoner liefen. Sie hatte gerade ihren eigenen Laptop aus dem Ruhemodus geweckt und wusste augenblicklich, dass er von jemand anderem benutzt worden war.
    Sie war erbost. Ihr Computer war etwas Persönliches und ging niemanden etwas an. Hier bewahrte sie viel von ihrem Leben, von ihren Geheimnissen auf, und so war es ein Eingriff in ihre Privatsphäre, wenn jemand anders ihn, ohne zu fragen, benutzte. Sie schob ihren Stuhl zurück und marschierte ins Wohnzimmer. «Bist du an meinen Laptop gegangen, Nicole?»
    Gerade hatten die Acht-Uhr-Nachrichten angefangen, und drei Gesichter wandten sich vom Fernseher zu ihr um.
    «Nein!» Nicole war empört. «Wieso sollte ich an deinen Laptop gehen?»
    «Keine Ahnung, aber irgendjemand hat ihn benutzt.»
    «Wie kommst du darauf?», fragte Sophie.
    «Weil der Finder auf dem Desktop fehlte, den ich grundsätzlich nie

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