Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)
Sache auf elegante Weise lösen oder auf die harte Tour. Liegt ganz bei Ihnen.»
«Schon gut, schon gut.» Xavier hob beschwichtigend die hennaroten Hände. Bei Rot stehenbleiben. «Ich geb’s ja zu. Ich hab ihm ein paar von Monsieur Mackays Haaren gegeben.»
«Wem?» Sophie sah ihn an, als wolle sie gleich auf ihn losgehen.
«Er hat gesagt, es wäre für einen harmlosen Streich.»
«Wer!?»
«Keine Ahnung. Er kam ungefähr vor einem Monat hier rein, direkt nachdem Monsieur Mackay gegangen war, und wollte ein paar von seinen Haaren kaufen.»
«Soll das heißen, Sie haben Geld dafür genommen?», entfuhr es Sophie so vehement, dass Xavier noch einen Schritt zurückwich.
«Zuerst habe ich nein gesagt, doch er war sehr hartnäckig. Und am Ende sah ich eigentlich nicht, was daran so schlimm sein sollte.»
«Das sehen Sie ja nun jetzt.» Bertrand blickte ihn wütend an. «Was hat er Ihnen dafür bezahlt?»
«Ganz ehrlich, ich würde mir lieber die Zunge abbeißen, als Monsieur Mackay Schaden zuzufügen.»
«Darauf kommen wir vielleicht noch zurück. Also, wie viel?»
«Hundert Euro.»
Sie starrten ihn an, und Kirsty brachte schließlich ihre Fassungslosigkeit zum Ausdruck: «Hundert Euro! Für ein paar Haare?»
«Xavier …!», jammerte die Frau auf dem Stuhl.
Xavier überhörte sie auch diesmal. «Er wollte keine abgeschnittenen Strähnen, sondern nur die Haare, die im Kamm hängen geblieben waren. Ich hatte ja noch nicht einmal die Zeit gehabt, ihn zu reinigen. Monsieur Mackays Stuhl war noch warm.»
«Dieser Kerl zahlt Ihnen also für ein paar Haare meines Vaters hundert Euro, und Sie finden das völlig normal?» Inzwischen schien sich der Friseur von Kirstys Kampflust ebenso bedroht zu fühlen wie von Bertrands.
«Wie gesagt, es war für einen kleinen Streich gedacht.»
«Toller Streich!»
Erst jetzt, im denkbar unpassendsten Moment, fiel Xavier der feine weiße Streifen in Sophies dunklem Haar auf, der von der Schläfe nach hinten verlief. «Sie haben ja denselben Dachsstreifen wie Ihr Vater», sagte er und hoffte, sie durch das Ablenkungsmanöver zu beschwichtigen.
«Elster», korrigierte sie ihn.
«Wie bitte?»
«Mein Vater wird ‹Magpie› genannt: Elster, nicht Dachs.»
Bertrand schaltete sich ein: «Ich denke, Sie schließen jetzt mal schnell Ihren Salon, Xavier, und kommen mit uns zum Präsidium. Die Polizei braucht eine Aussage von Ihnen.»
«Ich will keinen Ärger.»
«Das hätten Sie sich wohl besser überlegt, bevor Sie Haare eines Kunden verkaufen.»
Xavier seufzte theatralisch. Dann entdeckte er endlich die roten Streifen im Nacken der Kundin, die vor ihm auf dem Stuhl zappelte. «Oh! Mein Gott! Was für eine Sauerei!» Er machte sich sofort mit einem nassen Schwamm an die Arbeit, doch die Hennafarbe war bereits teilweise eingetrocknet. «Ich brauche ein paar Minuten, um das hier in Ordnung zu bringen.»
«Wir warten so lange», antwortete Bertrand.
«Wie hat er eigentlich ausgesehen?», fragte Kirsty. «Dieser Typ, der Enzos Haare gekauft hat?»
Xavier hörte nur halb zu und wedelte mit der Hand in der Luft. «Keine Ahnung. Kann mich kaum an ihn erinnern.»
«Geben Sie sich Mühe.»
Noch ein theatralisches Seufzen. «Schätze, er war um die vierzig. Sah eigentlich ziemlich gut aus. Er hatte kurzes Haar, so viel weiß ich noch. Blond, dunkelblond. Ach ja …» Seine Augen blitzten auf. «Die Ohren. Als Friseur hat man einen besonderen Blick für die Ohren. Nicht ganz unwichtig in diesem Metier. Womöglich schneidet man sonst versehentlich eins ab.»
«Was ist mit seinen Ohren?» Kirsty starrte ihn eindringlich an.
«Na ja, offenbar hat er wohl mal einen üblen Unfall beim Friseur gehabt. Sein ganzes rechtes Ohrläppchen fehlte.»
Kapitel neunzehn
Commissaire Taillard musterte den Friseur mit dem rosigen Gesicht und die drei jungen Leute, die ihr am Schreibtisch gegenübersaßen. Der schottische Anwalt, Simon Gold, stand, die Hände auf eine Stuhllehne gestützt, hinter ihnen. In seinem Anzug wirkte er sehr seriös. Gewiss hatte Enzo Mackay seine Fehler, doch offenbar auch Qualitäten, die seine Familie und seine Freunde loyal zu ihm stehen ließen. Es versetzte ihr einen kleinen Stich, als sie daran dachte, dass auch sie zu diesem verschworenen Kreis hätte gehören können, wären die Dinge zwischen ihnen ein wenig anders gelaufen.
«Das beweist allerdings nicht, dass er nicht da war», sagte sie.
Simon richtete sich auf und zupfte sich mit seinen langen schmalen
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