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Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Titel: Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter May
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Schlussplädoyer vor den Geschworenen aufsparte. «Angesichts der veränderten Sachlage wollen Sie vielleicht doch mit dem Untersuchungsrichter erörtern, Enzo gegen Kaution zu entlassen?»
    * * *
    Enzo trat aus der Glasfront des Hôtel de Police und genoss nach fast achtundvierzig Stunden den ersten Atemzug als freier Mann. Verdorrte Blätter der Platanen auf dem Parkplatz lagen in Haufen zwischen den Autos und wurden vom eisigen Wind, der von der alten Stadtmauer herüberblies, raschelnd über den Asphalt getrieben.
    Enzo spürte, wie in ihm unbändige Wut hochkochte, die das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, und seine Erleichterung über die unerwartete Entlassung auf Kaution bei weitem überstieg. Jemand hatte eine unschuldige Frau umgebracht, und das aus dem einzigen Grund, ihm den Mord unterzuschieben. Nur damit sein Alibi sich später als trügerisch erwies, war er zu einem Termin mit einem falschen Arzt gelockt worden und hatte sich zwei Tage mit dem Gedanken gequält, bald an einer unheilbaren Krankheit zu sterben. Und derselbe Jemand hatte versucht, seine Tochter umzubringen, und Bertrands Fitnesscenter niedergebrannt.
    Dies alles hatte einem einzigen Ziel gedient, nämlich sein Leben so gründlich zu zerstören, dass er nicht mehr imstande war, eine Ermittlung durchzuführen, bei der er, wie offensichtlich jemand befürchtete, einen Mörder entlarven würde. Einen Mörder, der sich bis jetzt – daran konnte kein Zweifel bestehen – dem Arm des Gesetzes entzogen hatte.
    Doch ebenso sicher war Enzo sich, dass er nun am Wendepunkt stand. An dem Punkt dieser ganzen traurigen, schmutzigen Geschichte, an dem sein Gegenspieler sich von seiner schlimmsten Seite gezeigt und ihm damit, ohne es zu merken, Munition für seinen Gegenschlag geliefert hatte. An diesen Gedanken klammerte er sich mit aller Entschlossenheit.
    «Du scheinst nicht besonders glücklich über deine Entlassung zu sein.»
    Enzo drehte sich zu Commissaire Taillard um. Sie hatte ihn von den Zellen bis zur Eingangstür begleitet. «Tut mir leid», sagte er. «Ich wollte nicht undankbar erscheinen. Ich sollte mich für alles, was du für mich getan hast, bedanken.»
    Sie nahm ihn am Arm und führte ihn zwischen den Bäumen Richtung Musée de la Résistance an der Ecke. «Spar dir deinen Dank auf, Enzo. Das hier ist noch nicht zu Ende. Es läuft immer noch ein Mörder frei herum, und ein paar von meinen Leuten glauben nach wie vor, dass du es warst.»
    «Aber du nicht?»
    Sie gab es nur ungern zu. «Hab ich von Anfang an eigentlich nicht. Ich hätte sogar ein erkleckliches Sümmchen darauf verwettet, dass du unschuldig bist.»
    Er lächelte reumütig. «Du hast schon einmal auf mich gesetzt und verloren.»
    «Im Fall Jacques Gaillard hast du Glück gehabt. Aber das trage ich dir nicht nach.»
    Sie blieben stehen, und sie wandte sich ihm zu, wobei ihr Busen leicht seinen Arm streifte. Kurz schien es zwischen ihnen zu knistern, vielleicht ein Hinweis darauf, dass die Flamme zwischen ihnen noch nicht ganz erloschen war.
    «Mir bleibt in diesem Fall», sagte er, «nur eine Möglichkeit, meine Unschuld zu beweisen: Ich muss den Mörder schnappen.»
    Sie schüttelte den Kopf. «Das ist unser Job.»
    Er sah sie an, verkniff sich aber eine Bemerkung. «Es muss irgendetwas geben, das du mir verraten darfst, Hélène. Über den Mord oder den Tatort. Einen ersten Anhaltspunkt.»
    «Auf gar keinen Fall. Du bist nur auf Kaution frei, Enzo. Ich kann doch einem Tatverdächtigen nicht einfach Informationen geben.»
    «Wenn ich es wirklich gewesen wäre, würdest du mir nichts verraten, was ich nicht ohnehin schon wüsste. Sag mir wenigstens, wie sie ermordet wurde.»
    Taillard sah ihn durchdringend an, bevor sie einen langen, genervten Seufzer ausstieß. «Sie wurde mit einem Fausthieb ins Gesicht niedergeschlagen. Offenbar so fest, dass sie sofort bewusstlos war. Doch das ist nicht die Todesursache. Dem vorläufigen Autopsiebericht des Pathologen zufolge wurde ihr das Genick gebrochen.»
    Enzo erstarrte. «Vorsätzlich? Ich meine, sie hat es sich nicht bei dem Sturz gebrochen?»
    «Nein. Da war sich der Gerichtsmediziner ganz sicher. Ihr wurde mit einer präzisen Drehbewegung das Rückenmark durchtrennt, zwischen dem dritten und dem vierten Halswirbel. Die Arbeit eines Profis, so hat er es beschrieben.»
    Enzo pfiff leise durch die Zähne. «Dann weiß ich, wer es war.»
    «Was?» Die Polizeichefin sah ihn ungläubig an.
    «Zumindest weiß ich, wen er noch

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