Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)
Fingern am Bart. «Aber die Tatsache, dass Sie Haare von ihm am Tatort gefunden haben, beweist ebenso wenig, dass er da war. Schließlich hatte er eine Beziehung mit dieser Frau. Leute verlieren nun mal Haare. Da ist es doch wohl nicht verwunderlich, wenn Sie ein paar Haare von ihm auf ihrer Kleidung finden.»
Kirsty fiel ihm ins Wort. «Wir sollten uns eher die Frage stellen, wieso jemand hundert Euro für ein paar Haare meines Vaters zahlt, wenn nicht zu dem einzigen Zweck, ihn zu belasten?»
«Und wieso», fügte Sophie hinzu, «sollte jemand dieses Arztgespräch inszenieren? Doch nur, um sein Alibi platzenzulassen.»
Taillard schüttelte den Kopf. «Das ist alles reine Spekulation.»
«Das stimmt, Commissaire», erwiderte Simon, «aber Sie spekulieren genauso und stützen sich ausschließlich auf Indizien.»
Doch die Polizeichefin war nicht zu Kompromissen bereit. «Wir haben eine Computerdatei mit einem Terminkalender und einer Verabredung in der Wohnung, genau zum Zeitpunkt des Mordes. Wir haben Haare, die Enzo Mackay mit der Leiche des Opfers in Verbindung bringen. Und sein Alibi ist lachhaft. Leute sind schon aufgrund von weniger Beweisen verurteilt worden.»
«Überlegen Sie doch nur mal», hielt Simon dagegen. «Wenn Sie vorhätten, jemanden zu ermorden, würden Sie sich dann nicht ein besseres Alibi zurechtlegen? Wie Sie wissen, ist Enzo kein Dummkopf. Wieso sollte er ein so lächerliches Alibi erfinden, von dem er wusste, dass es sich bei der ersten Überprüfung in Luft auflösen würde?»
Es klopfte an der Tür, und ein Polizist in Uniform trat ein. Aber die Polizeichefin war mit den Gedanken woanders. «Es behauptet ja niemand, dass es vorsätzlicher Mord war. Es kann sehr wohl ein Verbrechen aus Leidenschaft gewesen sein, ein Wutausbruch. Immerhin hat Enzo Mackay fast unmittelbar danach die Stadt verlassen. Wahrscheinlich ist er gar nicht auf den Gedanken gekommen, wir könnten ihn mit der Tat in Verbindung bringen. Also hatte er keine Zeit, ein glaubhaftes Alibi auszubrüten. Und Tatsache ist auch, dass dieses Haus in der Rue des Trois Baudus seit zwei Jahren leer steht.»
«Nein, das stimmt nicht.»
Alle drehten sich zur Tür um. Nicole stand, einen Schnellhefter unter dem Arm, auf der Schwelle und schien mit sich recht zufrieden. Sie war außer Atem und ein wenig gerötet.
«Ich habe sämtliche Immobilienmakler in Cahors abgeklappert und versucht, die Rue des Trois Baudus 24 a in ihren Unterlagen ausfindig zu machen. Bei einem am Ende des Boulevard Léon Gambetta bin ich fündig geworden.» Sie wedelte mit der beigen Mappe in der Luft. «Und dreimal dürfen Sie raten! Die haben das Haus vor drei Wochen an eine Firma in Paris vermietet. Für ein Jahr.»
Hélène Taillard tat die Neuigkeit mit einem urfranzösischen leichten Schulterzucken ab. «Ich kann nicht erkennen, wie das Monsieur Mackay helfen soll.»
Nicole fuhr fort: «Nun, wenn Sie, wie ich es getan habe, im Pariser Handelsregister nachsehen, dann werden Sie feststellen, dass die Firma, die das Haus gemietet hat, gar nicht existiert.»
Jetzt lehnte sich Sophie auf den Schreibtisch und nahm die Polizeichefin fest in den Blick. «Madame Taillard, Sie wissen , dass mein Vater es nicht gewesen ist. Sie beide waren …» Sie hielt plötzlich inne, als sie das Bild der halb entkleideten Hélène Taillard mit ihrem Vater auf dem Sofa wieder vor sich sah. Eine gemeinsame Erinnerung offensichtlich, die der älteren Frau die Schamesröte in die Wangen trieb. «Also … Sie waren sich jedenfalls sehr nah, und Sie wissen, dass mein Vater ein standhafter, äh, anständiger Mann ist. Er wäre nie imstande, jemanden zu töten.»
Die Polizeichefin lehnte sich mit einem Seufzer in ihrem Stuhl zurück. «Ich will Ihnen durchaus nicht widersprechen, Sophie. Aber ich habe das alles nicht zu entscheiden. Ich bin Polizeichefin. Ich muss mich an die Vorschriften und Verfahrensregeln halten. Mein Ermessensspielraum ist begrenzt, mir sind die Hände gebunden. Der Untersuchungsrichter hält mich sowieso schon für befangen, weil ich Ihren Vater privat kenne.»
Simon nahm Nicole den Schnellhefter aus der Hand. «Aber die Zeugenaussage des Friseurs und die Tatsache, dass dieses Haus an eine Firma vermietet ist, die gar nicht existiert, das alles, Commissaire, lässt doch eine ohnehin schon schwache Beweislage in einem ganz anderen Licht erscheinen.» Er lächelte – ein überzeugendes, gewinnendes Lächeln, das er sich normalerweise für das
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