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Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Titel: Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter May
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weggestorben – da war es mit dem Nachholen vorbei.»
    Kirsty sah sie an. «Wann war das?»
    «Vor zehn Jahren.»
    Wie ein Stich durchzuckte Kirsty eine böse Ahnung.

Kapitel sechsunddreißig
    Auch wenn die Sonne schon tief am Winterhimmel stand, brachte sie noch einiges an Wärme. Auf dem Armaturenbrett von Enzos Leihwagen wurden zwanzig Grad angezeigt. Um diese Jahreszeit war es kein Problem, auf der Plaça Frederic Rahola zu parken. Der Strand Platja Gran hinter der Statue von Salvador Dalí wirkte einsam und verlassen. Vor dem Café an der Seepromenade waren nur wenige Tische besetzt. Er lief am Casino und der Tapas-Bar Entina vorbei bis zu einem winzigen kopfsteingepflasterten Platz, auf dem an den Bäumen, die im Sommer vor der Sonne schützten, immer noch hartnäckig Blätter hingen. Kurz sah er auf den Stadtplan, den er sich in der Touristeninformation besorgt hatte, und entdeckte vor sich eine schmale Gasse, die durch einen Torbogen steil hinauf in die Altstadt führte.
    Enzo schob die Erinnerung an die abendliche Enthüllung über Kirsty und Simon beiseite. Sie hatte ihn auf dem ganzen Flug und der Fahrt von Barcelona Richtung Norden verfolgt. Doch jetzt spürte er, dass er Rickie Bright dicht auf den Fersen war. Bright blieb das sicher nicht verborgen, was ihn noch gefährlicher machte – so gefährlich wie ein in die Enge getriebenes Tier. Enzo musste sich zusammenreißen und sich auf seinen Gegner konzentrieren.
    Viele Straßennamen und Ladenschilder hatten ihren Ursprung in der eigentümlichen katalanischen Sprache, einer Mischung aus Spanisch und Französisch. Die Gassen waren mit längs verlegten Schiefersteinen gepflastert, eine holprige Oberfläche, die zum besseren Abfluss von Regenwasser zu den Seiten leicht abfiel. Darüber hinaus waren sie so eng, dass außer im Hochsommer nie ein Sonnenstrahl hineindrang.
    Bei seinem steilen Aufstieg kam eine Schar Kinder, die Taschen über die Schulter geschlungen, übermütig schnatternd an ihm vorbei. Offenbar war gerade ein langer Schultag zu Ende gegangen. Ein Mann auf einer Leiter strich einen schmiedeeisernen Balkon an. Etwas weiter die Straße entlang saß, wohl gerade von ihrer Siesta erwacht, die Hände in einer rosa Schürze gefaltet, eine alte Frau mit Kopftuch in ihrem Hauseingang. Sie blickte Enzo mit stumpfer Neugier hinterher.
    Durch ein Gewirr winziger, sich kreuzender Durchgänge und Gässchen fand Enzo schließlich zu der Straße, die direkt bis zur Kirche hinaufführte. Das Haus mit der Nummer 9, nach dem er Ausschau hielt, lag, wie er wusste, unmittelbar darunter. Rechts von ihm kam er unter einer knorrigen, alten Bougainvillea an einem kleinen Restaurant namens El Gato Azul vorbei. Das Wandbrett neben der Tür zierte das Gemälde einer blauen Katze. An der Mauer gegenüber hing eine mit Katzenpfoten besprenkelte Speisekarte. Noch ein Stück höher befand sich auf der anderen Straßenseite eine Flügeltür in der Farbe von getrocknetem Blut; daneben die Nummer 9.
    Enzo blickte die dreistöckige, weiß getünchte Fassade hinauf. Sämtliche Fensterläden waren fest verschlossen, und er fürchtete schon, er könnte den weiten Weg hierhergekommen sein, nur um festzustellen, dass Señora Bright nicht zu Hause war. Über dem Briefkasten neben der Tür war eine Klingel. Er drückte sie und hörte es irgendwo im Haus wie von ferne schellen. Kurz darauf vernahm er langsame Schritte hinter der Tür, dann das Klirren eines Schlosses. Eine der Türhälften ging auf. Vor ihm stand eine dunkelhaarige Frau unbestimmten Alters. Sie war bis auf ein weißes Schürzchen ganz in Schwarz gekleidet. Ihre Haut war dunkel getönt, tiefe Furchen überzogen das Gesicht. Dies war offensichtlich nicht die Frau, die er suchte. Sie blickte Enzo aus dem Dämmerlicht der Eingangsdiele entgegen, und ihm schlug der kalte, feuchte Atem des Hauses ins Gesicht.
    «Ich suche Señora Bright.»
    Die dunkelhaarige Frau schüttelte den Kopf. Enzo probierte es mit Französisch, doch sie verstand ihn immer noch nicht. Sein Spanisch war höchst bescheiden.
    «Dónde está Señora Bright?»
    Stumm signalisierte sie ihm mit einem erhobenen Finger, dass er warten solle, drehte sich um und verschwand im Dunkeln. Er wartete eine Ewigkeit, dann kam sie wieder und reichte ihm einen Zettel. Darauf hatte sie das Wort iglesia geschrieben. Es war dem französischen église so ähnlich, dass er es sofort verstand. Er deutete die Straße hinauf.
    «Da oben?»
    Sie nickte und schlug ihm die

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