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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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er ihr. » Vor vielen Jahren hat dein Vater mir einmal das Leben gerettet.« Als sie nicht antwortete, fuhr er fort: » Und du bist Emly?«
    Sie nickte.
    » Sag mir, Emly«, meinte er dann, » hast du je gehört, dass dein Vater einen gewissen Fell Aron Lee erwähnt hat?«

Teil vier – DER GUTE SOHN

21
    Man hatte Fell schon als kleinen Jungen weggeschickt, um unter Fremden zu leben.
    In den Baracken und Lagern, in denen er gelebt hatte, hatte er gehört, wie Männer über ihre Mütter sprachen, als wären es Heilige oder Engel, süße, lächelnde Frauen, warmherzig und fürsorglich. Er hielt sich selbst für nicht sonderlich sentimental, und diese rührselige Gefühlsduselei von verrohten Männern war für ihn schwer zu verstehen und manchmal auch schwer zu ertragen. Er hatte Vergewaltigung und Verstümmelung von Frauen mit angesehen und sich abgewendet, ein Herz aus Stein in seiner Brust. Dieselben Männer, die das getan hatten, redeten dann jedoch, angetrunken und mit Tränen in den Augen, von ihren tugendhaften Müttern und ihren heißgeliebten jungfräulichen Schwestern.
    Er konnte sich an keine Mutter erinnern, obwohl er in Bruchstücken von Träumen manchmal das Gesicht eines jungen Mädchens sah, fast noch eines Kindes, das auf ihn hinabblickte. Er konnte sich an weiche Lippen auf seiner Stirn erinnern, an warme Milch und sauberes Leinen. Aber seine früheste klare Erinnerung war die an eine lange, furchteinflößende Reise, daran, wie er in der Dunkelheit im Licht von blakenden Fackeln von Hand zu Hand weitergegeben wurde. Er erinnerte sich an den Geruch von Feuer, Pferden und Blut.
    Er war mit anderen Jungen in einer fremden Kaserne aufgewachsen, allesamt aus fremden Ländern. Man hatte sie gelehrt, miteinander zu wetteifern, sie ermutigt zu kämpfen, sie für Kraft und Beweglichkeit gelobt und für Geschicklichkeit mit Schwertern und Fäusten belohnt. Allerdings war es den Kindern verboten, sich gegenseitig zu töten, denn sie waren kostbar. Entwickelte sich eine Freundschaft, wurden die Jungen getrennt und in unterschiedlichen Kasernen untergebracht. Sie erlernten alle dieselbe Sprache, und während sie zu Männern reiften, lernten sie viel über die Anatomie des menschlichen Körpers, über die ärztliche Versorgung auf dem Schlachtfeld, Strategie und Logistik, ein wenig Mathematik und etwas Philosophie. Es war eine sehr gute Erziehung für einen Soldaten, und Fell hatte fast seine Pubertät erreicht, bevor ihm klar wurde, dass nicht alle Jungen auf dieselbe Art und Weise erzogen wurden.
    Und er sollte erheblich älter werden, bis er erkannte, dass nicht alle Kinder unglücklich waren und im Gegenteil einige die Kindheit sogar für einen Segen hielten.
    Er war erst sechs Jahre alt, als er eines Nachts grob geweckt wurde und man ihm befahl, er solle sich anziehen. Es war Winter, und der Schlafraum der Jungen war ein hallender, steinerner Saal, dessen Wände alle Wärme aufzusaugen schienen. Es war eisig hier, und der Steinboden war glatt. Furchtsam zog das Kind eine wollene Hose und eine gefütterte Jacke an, während zwei große Soldaten ihn ungeduldig beobachteten. Mit vor Kälte tauben Fingern versuchte er, den Gürtel mit dem Kurzschwert zu schließen, das er laut Befehl überall mit hinnehmen musste, aber einer der Männer hinderte ihn daran.
    » Das brauchst du nicht, Junge«, brummte er, packte ihn am Handgelenk und setzte sich in Bewegung.
    Der Junge hatte Schwierigkeiten, mit den Männern Schritt zu halten, als er, halb geführt, halb gezogen, durch den mitternächtlichen Palast marschierte. Sie überquerten den Platz, auf dem die Jungen jeden Tag übten und der jetzt im Licht der Sterne lag, dann gingen sie durch die großen Stallungen, die sich endlos zu erstrecken schienen. Der Junge sah die Köpfe der Pferde, die ihm wohlwollend nachsahen, als er an ihnen vorbeiging. Ihre dunklen Augen wirkten freundlich und neugierig. Der Junge fragte sich, ob wohl auch Lancer hier war, das kleine Pony, auf dem er reiten lernte. Aber er konnte die Stute nicht sehen. Dann gingen sie zügig durch ein breites, mit Steinmetzarbeiten verziertes Portal und kamen auf dem Gelände des Roten Palastes heraus. Hier war er noch nie gewesen, soweit er sich erinnern konnte. Die Hallen waren sehr hoch, und das Licht der Fackeln in den Fäusten der beiden Männer fiel auf hell strahlenden Stein und gemeißelte Gesichter, erreichte jedoch nicht die Decken hoch über ihnen. Es war hier wärmer als in der Kaserne, und das

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