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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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seinen Arm, seine Schulter auf seiner unverletzten Seite.
    » Das Fenster!«, flüsterte sie.
    Er schüttelte den Kopf. Der Gedanke war lächerlich. » Ich kann nicht«, erwiderte er. Seine Stimme klang vom Rauch erstickt und krächzend.
    Sie packte sein Gesicht und beugte sich zu ihm. » Ich werde nicht ohne dich gehen!«, sagte sie. Ihre Worte klangen entschlossen und kompromisslos.
    Er seufzte, stützte sich auf ihre schmale Schulter, kam schließlich hoch und stolperte durch die Werkstatt zum Fenster. Sie stieß es auf und half ihm auf die breite Fensterbank. Er blickte hinab. Die Blauenten-Allee befand sich mehr als fünfzehn Meter unter ihnen, und er konnte da unten aufgeregte Gesichter sehen, die zu ihnen hinaufblickten. Vor ihnen erstreckte sich die Brücke aus Holzbalken in die Dunkelheit zum gegenüberliegenden Gebäude. Unmöglich.
    » Ich kann das nicht«, sagte er. » Das ist ein Weg für Katzen und vielleicht die Rettung für dich. Aber nicht für mich.«
    » Ich werde nicht ohne dich gehen!«, wiederholte sie. Er hörte die Entschlossenheit in ihrer Stimme. Sie schob ihn aus dem Fenster, trommelte mit den Fäusten auf seinen Rücken ein und stieß ihn mit der Schulter. Er versuchte, sie festzuhalten, sie vor sich auf die Brücke zu schieben, aber selbst ihre geringe Kraft war zu viel für ihn.
    Er spürte, wie er starb, aber er durfte sie auf keinen Fall mit sich nehmen.
    Es kostete ihn ungeheure Mühe, den linken Arm zu heben und sich an einem Holzbalken festzuhalten. Er spürte, wie sie seine Stiefel auf eine sichere Stelle setzte, und dann schwang er sich mit einem Stöhnen auf die Brücke. Er hielt sich fest, wartete, bis der Schmerz etwas abebbte, und kämpfte gegen die Dunkelheit in seinem Kopf. Emly war direkt hinter ihm und führte seine rechte Hand und dann seinen rechten Fuß auf die Balken des Gestells. Er verlagerte sein Gewicht nach rechts, und sie nahm sofort seine linke Hand, führte sie vorwärts. Sie waren jetzt hoch über der Allee, und zwischen ihm und den Pflastersteinen war nichts als Dunkelheit. Sein Kopf klärte sich ein wenig, und die Nachtluft kühlte seine schmerzende Seite. Er streckte sich und machte einen weiteren mühsamen Schritt. Auf der anderen Seite der Brücke sah er zwei Jungen, die ihn aus einem offenen Fenster beobachteten. Er hörte ihre dünnen Rufe, wie das Kreischen von Möwen. Sie schrien ihm etwas zu, die Augen vor Aufregung weit aufgerissen. Vermutlich feuerten sie ihn an.
    Er wechselte seinen Griff und stellte seine Füße auf einen niedrigeren Balken, sodass er einen Augenblick an dem Gerüst ausruhen konnte. Dann hörte er, wie Glas explodierte und ein Schwall heißer Luft traf ihn, als das Fenster hinter ihm zerbarst. Er hörte, wie Glas auf die Straße hinabstürzte und die Zuschauer aufgeregt schrien, als sie sich vor den Scherben in Sicherheit brachten. Er trat rasch einen weiteren Schritt vor, sich bewusst, dass Emly hinter ihm folgte und infolgedessen dichter an diesem Inferno war. Seine rechte Hand rutschte an dem glatten Holz ab, und er stürzte halb, prallte mit seiner Hüfte gegen das Holz, hielt sich im letzten Moment fest und riss dadurch an der Wunde in seiner Seite. Glühender Schmerz durchzuckte ihn, und ihm verschwamm alles vor den Augen.
    Dieses zerbrochene Schwert ist das Einzige, was dich am Leben hält, Ser. Was wusste dieser verdammte Narr denn? Dieses Schwert hielt ihn vom Kämpfen ab. Seine Männer brauchten ihn jetzt, und er würde sie nicht enttäuschen.
    Emly sah, wie ihr Vater nach dem Dolch griff, der in seiner Seite steckte. Sie wusste, was er vorhatte, und packte seine Hand, um ihn davon abzuhalten. Er wehrte sich schwach einen Moment gegen ihren Griff, dann jedoch ließ er los, und sein Körper entspannte sich. Sie vermutete, dass er ohnmächtig geworden war. Er hockte halb an einen Querbalken gelehnt, und sie saß hinter ihm. Sie hielt sich mit einer Hand fest, hatte den anderen Arm um seine Brust geschlungen, und ihre nackten Zehen gruben sich in das Holz.
    » Vater! Vater!«, schrie sie ihm ins Ohr und versuchte, ihn wieder aufzuwecken. Sie spürte hinter sich die Hitze des Infernos und wusste, dass die Flammen bereits über das Gerüst leckten und auf sie zukamen.
    » Bartellus!«
    Sie war schwach vor Erschöpfung und Furcht und blickte nach vorn auf das Bogenfenster des Quartierhauses gegenüber. Es war nur ein paar Schritte entfernt, aber genauso gut hätten es auch hundert sein können. Sie war nicht stark genug, um

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