Der Moloch: Roman (German Edition)
muss ebenfalls sterben. Sonst bereitet er uns in Zukunft womöglich Schwierigkeiten.«
Der Kaiser nickte und wandte sich an den rothaarigen Mann. » Shuskara, mein Freund?«
Der Mann zuckte mit den Schultern. » Flavius hat Recht. Seine Familie ist tot. Bis auf den letzten Cousin und die entfernteste Tante. In zehn Jahren wird sich niemand mehr daran erinnern. Wir haben die besten Kräfte der Cité darangesetzt, ihn auszubilden. Wenn er alt genug zum Kämpfen ist, wird er ihr loyaler Sohn sein.«
Der Junge sah von einem zum anderen und fragte sich, wessen Familie wohl tot war.
Der Kaiser schlug dem Rothaarigen auf den Rücken. » Also gut, mein Freund. Hoffen wir, dass wir deinen Rat niemals bedauern werden. Galliard!«
Ein Bewaffneter, ein bärtiger Hüne, tauchte aus dem Hintergrund der Halle auf. Als die Leute ihn sahen, setzte das Gemurmel wieder ein. Etliche lachten, und einige schrien etwas, obwohl der Junge nicht verstand, was sie sagten. Als der bärtige Soldat näher kam, sah Fell, dass er etwas Rundes auf einem großen Stock trug. Die Schreie und der Jubel verstärkten sich, und der Kaiser grinste. Dann gab er dem Krieger ein Zeichen, der den Stock vor dem kleinen Jungen auf den Boden rammte. Auf der Spitze des Stocks steckte etwas Stinkendes, Grünliches. Es sah aus wie einer dieser Gipsköpfe, die der Junge im Säulenvorbau des Palastes gesehen hatte, nur war dieser hier sehr schlecht gemacht, oder jemand hatte ihn beschädigt. Er fragte sich, warum der Soldat ihm den Kopf zeigte. Verständnislos sah er den Kaiser an, um eine Erklärung heischend.
» Das ist dein Vater, Junge«, sagte der Kaiser und deutete auf das grüne Ding. » Erkennst du denn deinen eigenen Vater nicht?«
Aber die Worte bedeuteten dem kleinen Jungen nichts, und er beruhigte sich und war auch nicht mehr länger den Tränen nahe. Er glaubte, dass der Kaiser etwas von ihm wollte, aber er wusste nicht, was es war, und konnte sowieso nichts daran ändern.
Der Kaiser sah sich in der großen Halle um. » Von jetzt an wird die Cité dein Vater sein, Junge«, verkündete er, » und du wirst ein guter Sohn sein.«
Man gab ihm den Namen Arish, aber viele Jahre lang nannten die Leute im Roten Palast ihn nur Welpe, und zwar noch lange nachdem der Grund dafür längst vergessen war.
Er erzählte seinen Kameraden, dass er den Kaiser getroffen und ihn Sire genannt hatte, aber die meisten verzogen nur höhnisch das Gesicht. Wie es schien, hatten fast alle Jungen irgendwann den Kaiser getroffen, und diejenigen, die ihn nicht gesehen hatten, gaben es nicht zu. Er achtete genau auf die Gesichter der großen, bärtigen Bewaffneten, die er jeden Tag sah, und manchmal erblickte er seinen Freund Shuskara oder den Mann namens Flavius. Shuskara sagte nie ein Wort zu ihm, aber einmal blinzelte er ihm zu. Der kleine Junge hütete diesen Augenblick wie eine Kostbarkeit, während er die harte, körperliche Ausbildung ertrug, die schrecklichen endlosen Stunden mit Schwertübungen und die Lektionen, die so schwierig waren, weil sein Bauch oft leer und ihm schrecklich kalt war. Die Jungen lernten schon bald, Essen aus der Küche des Palastes zu stehlen. Arish war stets aufmerksam und vorsichtig, stellte jedoch verblüfft fest, dass ihre Lehrer und Ausbilder und selbst die Angestellten in der Küche die Augen zudrückten. Wurden die Diebe jedoch in flagranti erwischt, wurden sie strengstens bestraft. Sie wurden heftig verprügelt, allerdings nur so, dass sie keine bleibenden Schäden davontrugen.
Er war kleiner und jünger als die anderen Jungen in seinem Schlafsaal, und seine erste, hart erlernte Lektion bestand darin, dass es besser war, sich im Hintergrund zu halten und nicht aufzufallen. Er schloss Freundschaft mit zwei anderen Jungen, eine notwendige Allianz mit zwei Brüdern namens Sander und Tomi. Sie schlossen sich zusammen, um sich gegen die willkürlichen Angriffe der älteren Jungen zu verteidigen. Aber eines Morgens wachte er auf und stellte fest, dass die Brüder nicht mehr da waren. Ihre Betten waren leer. Er nahm allen Mut zusammen und fragte einen der Schwertmeister, wohin sie gegangen waren.
Es war ein alter braunhäutiger Mann, ein Veteran vieler Schlachten, mit einem kahl geschorenen Kopf und einer tiefen, alten Narbe auf dem Schädel. Er warf dem Jungen einen bösen Blick zu, und Arish zuckte zusammen, voller Angst, dass der Mann ihn zu Boden schlagen würde, wie er es schon einmal getan hatte.
Doch dann seufzte der Schwertmeister
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