Der Moloch: Roman (German Edition)
eine Sekunde an, dann begriff sie, was er vorhatte. Sie riss den Tuchgürtel von ihrer Taille und drehte ihn zu einem Seil. Während der Soldat Bartellus festhielt, wickelte sie den Gürtel um jeweils eines der dicken Handgelenke des alten Mannes, dann um beide und verknotete ihn, so fest sie konnte.
Der Mann drehte sich vorsichtig auf dem Balken um und hielt sich mit beiden Händen fest. » Schieb seine Arme über meinen Kopf«, befahl er.
Sie gehorchte, und im nächsten Moment schien Bartellus das Bewusstsein wiederzuerlangen und klammerte sich mit beiden Armen an den Hals des Mannes.
» Du kannst ihn nicht heben!«, flüsterte Emly, und er sah sie neugierig an.
» Hast du vielleicht eine bessere Idee?«, erkundigte er sich. Sie sah eine Spur von Humor in seinen hellen Augen aufleuchten.
Er wartete nicht auf ihre Antwort, sondern holte tief Luft, streckte seine Beine und hob Bartellus von dem Balken. Aber das Gewicht des alten Mannes verrutschte auf seinem Rücken, und der große Soldat rutschte aus. Er landete hart auf einem Knie, und sein linker Arm ratschte über einen Querbalken. Sein Ärmel zerriss und auch die Haut darunter. Einen langen furchtsamen Moment musste Emly mit ansehen, wie er sich an einem niedrigeren Balken festhielt. Die Muskeln in seinem Arm traten hervor, als er das Gewicht auf seinem Rücken wieder in die Mitte verschob. Da sah sie auf seinem Unterarm das vertraute Brandzeichen des S, das sich weiß von der blassen Haut abhob. Es war das Brandmal, nach dem Bartellus sie gefragt hatte, das Zeichen, das sie vor so langer Zeit in den Schlamm der Hallen gezeichnet hatte, das Brandmal, das sie ihn so oft in müßigen Augenblicken hatte malen sehen, immer nachdenklich. Wer war dieser Fremde mit dem geheimnisvollen Brandzeichen?
Dann holte der Soldat tief Luft, straffte sich mit einem Ruck und hob den alten Mann stöhnend vom Gerüst. Bartellus stöhnte ebenfalls und schien sich noch fester an den Rücken des Mannes zu klammern. Langsam, bedächtig einen Fuß vor den anderen setzend und Handbreit um Handbreit, trug der Mann seine Last in die Sicherheit des gegenüberliegenden Fensters. Emly folgte ihm, so dicht sie konnte, während sie nervöse Blicke zurückwarf. Sie hob Bartellus am Gürtel an, wenn sie die Chance bekam, und versuchte so, die Last für den Mann zu verringern.
Als sie sich dem Fenster näherten, kletterten der ältere Junge und die Frau heraus, und gemeinsam hoben sie Bartellus über die niedrige Fensterbank. Sobald sie den alten Mann hineingezogen hatten, duckte sich der Retter unter den zusammengebunden Händen weg und griff nach hinten, um Emlys Arm zu packen.
Hinter ihr gab es eine Explosion aus Flammen, und heiße Luft brannte auf ihrem Rücken. Von unten von der Allee drangen schrille Schreie hinauf. Als sie den Fuß auf das Fensterbrett stellte, brach das Gerüst unter ihr weg. Der große Mann hielt sie fest, und lächelte sie ihn an, als hätte sie alle Zeit der Welt. Leichtfüßig sprang sie in den Raum, als hätte er ihr aus der Kutsche eines reichen Mannes geholfen.
Sie sanken beide neben Bartellus auf die Knie.
» Wir müssen das Messer herausziehen«, sagte der Soldat. Er sah zu der Mutter des Jungen hoch. » Ich brauche ein paar saubere Tücher oder Lumpen, ganz gleich was, um die Blutung zu stoppen.«
Sie trugen Bartellus auf eine niedrige Pritsche, dann zog der Mann das Messer heraus. Er untersuchte sorgfältig die Wunde, bevor er ein Tuch hineinstopfte. Es rötete sich augenblicklich, und Emlys Herz verkrampfte sich. Der Soldat drückte noch mehr Tücher in die Wunde, befestigte sie mit einer groben Bandage und stand auf.
» Er muss ruhig liegen«, sagte er zu der Frau. » Gib ihm Wasser, wenn er es schlucken kann.«
Er drehte sich zu Emly herum. » Er ist ein zäher alter Knabe«, sagte er. » Er hat schon Schlimmeres überlebt als das hier.«
» Danke«, krächzte sie. Ihre Stimme klang noch zögernder als gewöhnlich durch den Rauch und die Dämpfe. Dann hatte sie das Gefühl, dass ihre Worte nicht ausreichten, also lächelte sie und nickte.
Er starrte sie an. Sein Gesicht war von Ruß verschmiert, und seine blassen Augen und seine hellen Wimpern wirkten darin auffallend hell. Sie erinnerte sich daran, dass dies ein Mann gewesen war, den sie gefürchtet hatte, und bemerkte sehr zu ihrem Missfallen, dass sie unter seinem Blick errötete. » Wer bist du?«, flüsterte sie.
Er hustete Rauch aus seiner Lunge. » Mein Name ist Evan Broglanh«, sagte
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