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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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ihn zu bewegen. Sie konnte sich selbst kaum halten. Über kurz oder lang würde sie loslassen, und sie würden beide auf die Pflastersteine hinabstürzen.
    Sie schrie wieder in Bartellus’ Ohr, lehnte ihren Kopf an seinen, und zum ersten Mal seit langer Zeit kamen ihre Worte klar und flüssig aus ihrem Mund. Sie wusste nicht, ob sie laut sprach oder ob die Worte immer noch in ihrem Kopf gefangen waren.
    » Weißt du noch, Vater, die große steinerne Brücke in den Hallen?«, erzählte sie ihm. » Du sagtest, es wäre eine Brücke für Giganten. Wir hatten keine Ahnung, wo wir waren oder wohin sie führte. Ich war so klein, dass du mich hochheben und mich auf jede Stufe stellen musstest, um dann danach hinter mir hochzuklettern. Du hast mich in der Dunkelheit nicht allein gelassen, in der ganzen langen Dunkelheit der Hallen. Du hast mich nicht zurückgelassen, um dich selbst zu retten. Und jetzt werde ich dich nicht auf dieser Brücke zurücklassen. Ich werde eher hier oben sterben oder auf den Steinen unter uns, als ohne dich weiterzugehen. Deshalb musst du jetzt aufwachen, damit wir zusammen weiterklettern und uns in Sicherheit bringen können.«
    Aber Bartellus hörte ihre Worte nicht. Verzweifelt sah sie wieder vor sich zu dem Fenster. Jetzt waren dort drei ängstliche Gesichter, das der beiden Jungen und einer Frau. Während sie zusah, kletterte der größere Junge auf das Gerüst hinaus. Die Frau hielt ihn fest, ihr Gesicht vor Angst verzerrt, flehentlich, und Emly sah, wie sie sich stritten und sich ihre Miene verfinsterte. Aber alles, was sie hören konnte, war das Fauchen des Feuers hinter ihr. Der Junge schüttelte schließlich die Hand der Frau ab und schob sich auf das Gerüst hinaus. Er kletterte geschickt und zuversichtlich auf sie zu. Nach wenigen Augenblicken war er an ihrer Seite und hielt sich locker an dem Gerüst aus Balken fest. Enttäuscht bemerkte Emly, dass er noch jung war, höchstens zehn oder zwölf Jahre alt.
    » Was hat er denn?«, schrie er ihr über das Brausen des Fe ue rs ins Ohr.
    Sie deutete auf das Messer in Bartellus’ Seite, und der Junge riss vor Staunen die Augen auf.
    » Hilf mir«, sagte sie zu ihm.
    Jeder von ihnen nahm einen der Arme des alten Mannes, und sie versuchten, ihn hochzuheben. Aber da sie sich an den Holzbalken festhielten, hatten sie nicht genug Kraft, um Bartellus’ Gewicht zu bewegen. Emly stieß einen frustrierten Schrei aus und warf einen furchtsamen Blick zurück. Die ersten Balken des Gerüsts wurden bereits schwarz in der Hitze, und Rauch quoll über sie. Der Wind wehte ihn in die Nacht davon.
    Der Junge starrte sie hilflos an und sah dann an ihr vorbei. Sein Gesicht glänzte gelb im Licht des Feuers. Sie vermutete, dass er seine Entscheidung, ihr zu helfen, bereits bedauerte.
    » Zurück!«, befahl sie ihm.
    Er schüttelte den Kopf und versuchte erneut, den alten Mann hochzuheben. Ein Fuß von Bartellus rutschte von dem Balken ab, und sein Bein baumelte über dem Abgrund. Emly schlang die Arme um ihren Vater. » Geh zurück!«, schrie sie den Jungen an. » Du bist nur im Weg!«
    Seine Miene wurde hoffnungslos, er drehte sich um und ging zum Fenster zurück. Doch noch bevor er dort ankam, tauchte eine neue Gestalt auf. Sie hob sich dunkel gegen das Licht ab. Es war ein Mann, und er kletterte ebenfalls aus dem Fenster auf das Gerüst. Emly sah, dass er der große helläugige Fremde war, den sie dabei beobachtet hatte, wie er das Haus beobachtet hatte. Er schob sich an dem Jungen vorbei und balancierte rasch über das Gerüst auf sie zu. Sie spürte plötzlich, dass ihre Arme zitterten, während sie versuchte, ihren Vater festzuhalten, und ihre Knie sich vom Hocken auf dem Balken verkrampft hatten. Sie blickte hinab, und die ovalen Gesichter der Zuschauer schienen ihr vor den Augen zu verschwimmen und sich zu verdoppeln. Sie riss ihren Blick davon los und sah den Soldaten wieder an. Er streckte die Hand aus und packte Bartellus am Oberarm.
    » Lass los«, befahl er ihr. » Ich werde ihn nehmen.«
    Sie starrte ihn furchtsam an, nicht bereit, ihm Bartellus zu überlassen. Aber sie hatte keine Wahl. Dieser Mann war entweder ihr Retter oder ihr Mörder. Sie wusste nicht, was von beidem zutraf, aber sie war ihm in jedem Fall hilflos ausgeliefert.
    Er sah an ihr vorbei. » Du hast nur noch wenig Zeit«, sagte er nüchtern.
    Sie nickte und ließ los. Der Mann kniete sich vorsichtig neben sie. » Binde seine Handgelenke zusammen«, befahl er ihr.
    Sie starrte ihn

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