Der Moloch: Roman (German Edition)
gleich in Dampf und Feuer ausbrechen würde. Arish drehte sich zu ihm um. » Halt den Mund, Ranul!«, flüsterte er drängend. Ranul warf ihm einen giftigen Blick zu. » Dieser General soll doch sagen, was er will«, fuhr Arish fort. » Unsere Advokatin wird die wahre Geschichte erzählen. Gib ihr die Chance dazu.« Ranul runzelte die Stirn, sagte aber nichts.
Der General erzählte derweil den Zuschauern, dass drei Hunde getötet worden seien, und beendete seine Geschichte damit, dass die Jungen nach Hause zurückkehrten, trunken vor Freiheit und gesättigt, mit Hundefleisch in ihren Bäuchen. Er verbeugte sich kunstvoll vor dem Kaiser und seinen Nebenrichtern und dann vor der Mistress Archange, als sie aufstand und auf den Sand hinaustrat. Plötzlich brandeten höhnische Schreie und Anzüglichkeiten auf, und Arish fragte sich, ob sie dem eitlen General oder der Advokatin galten.
Es war warm, und Archange zog ihre lange, äußere Robe aus, faltete sie und legte sie fein säuberlich auf den Sand neben sich. Sie trug jetzt eine glatte, hellblaue Tunika über einem weißen Kleid. Um ihren Hals und auf ihrer Brust lagen silberne Ketten. Sie wirkte so entspannt, als befände sie sich in ihren eigenen Gemächern.
Die zotigen Zwischenrufe schwollen zu einem ohrenbetäubenden Lärm an. Die Zuschauer, allesamt Männer, die nichts dagegen hatten, dass ihre Schwestern und Töchter auf dem Schlachtfeld starben, lehnten eine Frau ab, die es wagte, in der Öffentlichkeit zu sprechen. Tonflaschen und Kieselsteine wurden geschleudert, und Archange trat rasch zurück, als sich ein Messer dicht vor ihren Füßen in den Sand grub. Arish sah, dass sogar einige der Soldaten Beleidigungen schrien.
Die Frau stand da und wartete geduldig mit gefalteten Händen. Sie sah aus, als könnte sie dort Stunden stehen. Schließlich erstarb der Lärm. Archange rührte sich und sah sich um.
Sie hob das Kinn. » Krieger!«, rief sie.
Das löste die nächste Welle von Beleidigungen aus, aber diesmal erstarben die Rufe schneller.
» Krieger«, wiederholte sie, etwas leiser diesmal. Die restlichen Zwischenrufer wurden von denen zum Schweigen gebracht, die ihr zuhören wollten.
» Krieger werden ausgebildet, unsere Cité und sich selbst zu verteidigen und dann den Feind anzugreifen. Deshalb gibt man ihnen Schilde und Schwerter. Den Schild zur Verteidigung, das Schwert zum Angriff. Sie legen sich nicht hin und lassen sich umbringen. Diese jungen Krieger hier vor euch wurden jahrelang ausgebildet, die Cité zu verteidigen. Einige von ihnen haben bereits an der Seite von erfahrenen Soldaten gekämpft. Andere sind noch zu jung dafür.« Sie deutete auf den kleinen Evan und hob ihre Stimme. » Und ich möchte gerne die Worte meines Freundes General Galada wiederholen. Der Kaiser hat auch mir heute eine große Gefälligkeit erwiesen. Er hat mir gestattet, für seine Krieger zu sprechen. Eine größere Ehre kann es nicht geben.
Es stimmt – diese jungen Männer sind die Söhne von ausländischen Führern, von fremden Königen. Sie sind die Söhne von Männern, die einst unsere Verbündeten waren. Sie kamen in gutem Glauben hierher, um die Sitten der Cité zu erlernen und für ihre Ehre zu kämpfen. Wenn auch ihre Väter sich seitdem von uns abgewendet und die Cité verraten haben, kann man ihnen dafür schwerlich die Schuld geben. General Galada«, sie deutete auf den alten Soldaten, » war der Sohn eines Häuptlings der Fkeni, der in der Schlacht von Edyw getötet wurde. Und doch hat er vierzig Jahre lang dem Unsterblichen ehrenvoll und loyal gedient. Niemand würde ihm die Tatsache vorwerfen, dass er der Sohn eines Verräters ist.«
Der alte Soldat errötete, und Arish lächelte. Es gab erneut einige Zwischenrufe von den Zuschauern, diesmal jedoch auf Kosten des Generals.
» Und jetzt zu den Hunden«, fuhr Archange fort. » Ich habe mit den kaiserlichen Jägern gesprochen und den Waldhütern, deren Aufgabe darin besteht, den Wald zu kontrollieren, in den diese Jungen für ihre Wildzeit geschickt wurden. Sie haben mir gesagt, dass die wilden Hunde in diesem Teil der Cité eine echte Bedrohung sind. Hunderte von Menschen, zumeist Kinder, werden jedes Jahr von ihnen gerissen, und jedes Jahr werden die Rudel größer. Keiner der Wildhüter geht noch zu Fuß durch den Wald, sondern sie reiten alle, aus Angst vor einem Angriff der Hunde. Und doch wurden diese sechs jungen Menschen dorthin geschickt, zu Fuß, ohne Vorwarnung, zu einer
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